Schweizer Bundesgericht zur Rechtswidrigkeit und zum Beweisverwertungsverbot von privaten Dashcam-Aufnahmen im öffentlichen Raum (BGer 6B_1188/2018)

Schweizer Bundesgericht zur Rechtswidrigkeit und zum Beweisverwertungsverbot von privaten Dashcam-Aufnahmen im öffentlichen Raum (BGer 6B_1188/2018)

In einem am 10.10.2019 veröffentlichten Urteil (Leitentscheid) des Bundesgerichts vom 26.09.2019, Referenz 6B_1188/2018, das zur Aufnahme in die amtliche Sammlung vorgesehen ist, hat sich das Bundesgericht zur Frage geäussert, ob und inwieweit private aus einem Fahrzeug heraus erstellte Dashcam-Aufnahmen im öffentlichen Raum, auf denen Personen oder Autokennzeichen erkennbar sind, eine widerrechtliche und damit unzulässige Datenbearbeitung darstellen und zu einem Beweisverwertungsverbot im gestützt auf diese privaten Dashcam-Aufnahmen geführten Strafverfahren gegen die auf den Aufnahmen ermittelte Person führt.

Das Bundesgericht erachtet das private Erstellen von Aufnahmen im öffentlichen Raum, worauf Personen oder Autokennzeichen erkennbar sind, als Personendaten im Sinne des Art. 3 lit. a Datenschutzgesetz (DSG) und das Erstellen derartiger Aufnahmen als Bearbeiten von Personendaten im Sinne des Art. 3 lit. e DSG. Weiter führt es aus, dass die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person nach dem Datenbearbeitungsgrundsatz des Art. 4 Abs. 4 DSG erkennbar sein muss. Die fehlende Erkennbarkeit führe zu einer Persönlichkeitsverletzung im Sinne des Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG (vgl. E. 3.1) und ist widerrechtlich im Sinne des Art. 13 Abs. 1 DSG, wenn kein Rechtfertigungsgrund (Einwilligung oder überwiegendes öffentliches oder privates Interesse) vorliegt (vgl. E. 3.3).

Im vorliegenden Falle wurden von einer Privatperson Dashcam-Aufnahmen im öffentlichen Raum erstellt, womit eine Person verschiedener strassenverkehrsrechtlicher Übertretungen und Vergehen überführt wurde. Das Bundesgericht stellt nun klar, dass das Erstellen privater Bewegtbildaufnahmen, worauf Personendaten bzw. Angaben die sich auf eine bestimmte Person oder zumindest bestimmbare Person beziehen und deren Erfassung für die betroffene Person nicht erkennbar ist, eine Datenschutzverletzung darstellt und mangels Rechtfertigungsgrund widerrechtlich persönlichkeitsverletzend ist und in einem gestützt darauf geführten Strafverfahren wegen einer Übertretung (im Sinne des Art. 103 StGB) oder einem Vergehen (im Sinne des Art. 10 Abs. 3 StGB) nicht verwertet werden dürfen (E. 4).

Europäisches Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland für die Schweiz seit 01.10.2019 in Kraft.

Europäisches Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland für die Schweiz seit 01.10.2019 in Kraft.

Das Europäische Übereinkommen vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland (Übereinkommen Nr. 94) ist am 01.10.2019 für die Schweiz in Kraft getreten.

Das Übereinkommen regelt die grenzüberschreitende Zustellung von amtlichen Schriftstücken in Verwaltungssachen mit Ausnahme der Bereiche Finanzmarktaufsicht, des Nachrichtendienstes sowie des Steuerrechts. Es ist weiterhin auf diejenigen Sachbereiche beschränkt, für die bisher weder eine gesetzliche noch staatsvertragliche Bestimmung existiert, welche die grenzüberschreitende Zustellung von amtlichen Schriftstücken regelt. Gemäss ausdrücklicher Ausdehnung des Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens Nr. 94 gilt dieses für die Schweiz auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechts.

Die weiteren Vertragsparteien des Übereinkommens sind die folgenden Mitgliedsstaaten des Europarates: Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich und Spanien.

Das von der Schweiz ebenfalls unterzeichnete Europäische Übereinkommen vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland (Übereinkommen Nr. 100) wurde jedoch weiterhin nicht ratifiziert.

Mit der Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 94 beabsichtigt die Schweiz, Erleichterungen insbesondere bei der Anwendung und grenzüberschreitenden Durchsetzung des Schweizerischen Entsendegesetzes (EntsG), namentlich bei der Durchsetzung von Verwaltungssaktionen nach Art. 9 des EntsG zu erzielen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 30.08.2017, BBl. 2017 S. 5949 f.). Das Übereinkommen ist jedoch auch in vielen weiteren Verwaltungsbereichen anwendbar, so z.B. auch im Bereich des Unterhaltsrechts bei auf öffentliche Sozialträger übergegangene Unterhaltsansprüche oder im Bereich des Datenschutzrechts.

Die Schweiz lässt die Zustellung von amtlichen Schriftstücken in Verwaltungssachen eines der Mitgliedsstaaten des Übereinkommens auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz grundsätzlich direkt mit der Post zu (vgl. Art. 11 Ziffer 1 des Übereinkommens Nr. 94). Eine Bestimmung zur grenzüberschreitenden Zustellung auf elektronischem Wege sah das Übereinkommen Nr. 94 aus dem Jahre 1977 (!) in technologischer Hinsicht nicht vor und ist auch nach geltendem Recht unzulässig. Im Gegensatz zur Schweiz hat z.B. die Bundesrepublik Deutschland der Zustellung von Dokumenten per Post in ihrem Hoheitsgebiet gemäss Art. 11 Ziffer 2 des Übereinkommens Nr. 94 ausdrücklich widersprochen. Eine trotzdem auf dem postalischen Wege erfolgte Direktzustellung einer Verfügung einer Schweizer Verwaltungsbehörde an einen Verfügungsadressaten (Adressaten des Verwaltungsaktes) mit Wohnsitz bzw. Sitz in Deutschland würde infolge der Souveränitätsverletzung an einem Eröffnungsmangel leiden; die Rechtslage zu den Rechtsfolgen einer solchen Territorialitätsverletzung ist allerdings unklar: in BGE 142 II 411 E. 3.2 geht das Bundesgericht nur von einer Anfechtbarkeit, jedoch nicht von einer Nichtigkeitkeit des fehlerhaften Zustellungsaktes aus; wohingegen das Bundesgericht in BGer 4A_161/2008 vom 01.07.2008 E. 4.1 die souveränitätsverletzende Zustellung eines einleitenden Schriftstückes - allerdings in einer privatrechtlichen Streitigkeit - als nichtig erachtete. 

Aus Sicht der Schweiz müssen Verfügungen, d.h. Anordnungen einer Behörde mit rechtsgestaltender Wirkung (vgl. zur Legaldefinition Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren - VwVG), grundsätzlich immer schriftlich eröffnet werden (vgl. für das Verwaltungsrecht des Bundes, Art. 34 Abs. 1 VwVG). Nach deutschem Recht hingegen werden Verwaltungsakte gemäss § 1 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) nur förmlich zugestellt, wenn dies durch Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung bestimmt ist.

Quellen und weiterführende Informationen:

Schweizer Bundesgericht zur Bestimmtheit einer Konkurrenzverbotsabrede (BGer 4A_2010/2018)

Schweizer Bundesgericht zur Bestimmtheit einer Konkurrenzverbotsabrede (BGer 4A_2010/2018)

In einem am 04.09.2019 veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts vom 02.04.2019, Referenz 4A_210/2018, das zur Aufnahme in die amtliche Sammlung vorgesehen ist, hat sich das Bundesgericht zur Frage geäussert, ob und inwieweit die in einer schriftlich abgefassten nacharbeitsvertraglichen Konkurrenzverbotsabrede enthaltene Formulierung, sich "jeder konkurrenzierenden Tätigkeit" zu enthalten, als in gegenständlicher Hinsicht genügend bestimmt ist.

Das Bundesgericht führt hierzu im Wesentlichen folgendes aus:

  • Unter geltendem Recht ist der nach Art. 340a Abs. 1 OR zu begrenzende Umfang des Konkurrenzverbots ein objektiv wesentliches Element, welches vom Schriftformvorbehalt erfasst ist (...). Insoweit sind die Anforderungen an die Bestimmung des Inhalts eines Konkurrenzverbots gemäss Art. 340a Abs. 1 OR und die Formvorschrift von Art. 340 Abs. 1 OR untrennbar miteinander verbunden (...). (E. 3.5.1)

  • Auch in Bezug auf den Art. 340 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 340a Abs. 1 OR zugrunde liegenden Gesetzeszweck des Arbeitnehmerschutzes, der die Parteien zu Recht dazu anhält, den örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang gesamthaft schriftlich zu begrenzen, ist weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern es nicht zulässig sein sollte, "jede konkurrenzierende Tätigkeit " zu verbieten. Da ein Konkurrenzverbot nicht jede Tätigkeit untersagen darf, sondern nur eine konkurrenzierende, kann das Verbot nicht über den effektiven Geschäftsbereich hinaus reichen (...). Konkurrenz in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die beiden Unternehmen dem mindestens teilweise gleichen Kundenkreis gleichartige und folglich unmittelbar das gleiche Bedürfnis befriedigende Leistungen anbieten (...). In der Rechtspraxis hat sich die gegenständliche Umschreibung mit "jeder konkurrenzierenden Tätigkeit" etabliert (...). (E. 3.5.2)

  • Das Verbot "jeder konkurrenzierender Tätigkeit" erfüllt das Gebot der Form. Es ist genügend bestimmt bzw. anhand der allgemeinen Auslegungsmethoden hinreichend bestimmbar. (E.3.6)

Damit bestätigt das Bundesgericht die bisherige Rechtspraxis.

Basiszinssatz nach deutschem BGB ab 01.01.2019: -0,88%

Basiszinssatz nach deutschem BGB ab 01.01.2019: -0,88%

Die deutsche Bundesbank hat gemäss der gesetzlichen Vorgabe in § 247 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 20.12.2018 im deutschen Bundesanzeiger den Basiszinsatz bekanntgegeben. Dieser bleibt unverändert und beträgt ab 1. Januar 2019 -0,88%.

Der Basiszinssatz verändert sich zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgrösse seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestigen oder gefallen ist. Bezugsgrösse ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs. (vgl. § 247 Abs. 1 BGB)

Auf den Basiszinssatz gemäss § 247 BGB nimmt u.a. die Vorschrift des § 288 BGB über die Verzugszinsen Bezug.

Das Schweizer Zivilrecht kennt keine Verzugszinsregelung, die auf einen Basiszinssatz referenziert bzw. einen veränderlichen Verzugszinssatz vorsieht. Vielmehr geht Art. 104 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) von einem statischen Verzugszinssatz von fünf Prozent (fünf vom Hundert) pro Jahr aus.

Quellen/weiterführende Informationen:

DS-GVO und ihre Auswirkungen auf die Schweiz

DS-GVO und ihre Auswirkungen auf die Schweiz

INTERNETRECHT - DATENSCHUTZRECHT - DS-GVO

Arbeitspapier

Datenschutz-Grundverordnung und die Schweiz - Ausgewählte Aspekte der Auswirkungen der DS-GVO auf Unternehmen in der Schweiz.

Inhalt: Wer ist von der Datenschutz-Grundverordnung in der Schweiz betroffen? Was gilt bei einer Auslagerung der Datenspeicherung auf externe IT-Dienstleister? Besteht eine Pflicht für Schweizer Unternehmen zur Bestellung eines Vertreters in der EU?

Arbeitspapier: hier abrufbar (pdf)

Autor: Rechtsanwalt Bertram Buchzik


Schweizer EMPA prüft die offiziellen Fussbälle für die FIFA-Fussball-WM 2018

Schweizer EMPA prüft die offiziellen Fussbälle für die FIFA-Fussball-WM 2018

Damit Ronaldo und Co. verlässlich «zaubern» können

Dübendorf, St. Gallen und Thun, 28.05.2018 - Der offizielle Ball für die FIFA-Fussball-WM 2018 in Russland hat nach zahlreichen Tests das «OK» der Empa erhalten. Manche Torhüter sehen dessen Flugeigenschaften zwar eher kritisch; Die Ursache ihrer Kritik könnte jedoch ganz woanders liegen – am eher unkonventionellen Äusseren des neuen Balls.

Fussball lebt von Emotionen. Wenn es um den diesjährigen WM-Ball geht, sind die Experten der Empa allerdings völlig emotionslos. Fragt man sie nach ihrem Eindruck zu den bereits des Öfteren bemängelten Flugeigenschaften des Adidas-Modells «Telstar 18» wehren sie ab: «Eindrücke sind etwas Subjektives», sagt Martin Camenzind vom «Laboratory for Biomimetic Membranes and Textiles». «Wir verlassen uns auf objektive Parameter, die den Telstar 18 charakterisieren.» Dass Kritiker, wie Spaniens Torhüter David De Gea und Pepe Reina oder der Deutsche Goalie Mark-Andre ter Stegen dem Ball «Flatterhaftigkeit» unterstellen, beeindruckt Camenzind daher kaum. Die eigens an der Empa in St. Gallen für offizielle Turnierfussbälle entwickelte Testreihe hat der Telstar 18 jedenfalls erfolgreich bestanden, und nur das zählt für den Empa-Forscher.

Seit 22 Jahren führt die Empa im Auftrag der FIFA die unbestechlichen Versuchsreihen mit Fussbällen durch, die das Gütesiegel des FIFA-Qualitätsprogramms anstreben. Längst nicht jeder Ball besteht die Probe. Hier werden nicht nur Umfang und Gewicht des Balls gemessen. Er darf ausserdem trotz 250-maligem Quetschen in einem Wasserbehälter nur minimale Mengen an Flüssigkeit aufnehmen, muss seine Luft halten können und immer wieder gleich hoch abspringen, wenn er aus zwei Metern Höhe aufprallt. Um zu beweisen, dass es sich um eine perfekte Kugel handelt, wird der Ball zudem an sage und schreibe 4000 Punkten vermessen. Und schliesslich muss diese Kugel ihre Form auch behalten, wenn sie 2000 Mal mit 50 Stundenkilometern gegen eine Stahlwand geschossen wurde.

Derartige Standards entscheiden mit über die Qualität und Konsistenz der Sportart. Als die Testreihen eingeführt wurden, gelang es noch nicht allen Herstellern, die verlangten Eigenschaften zu erzielen: «Es fielen immer wieder Exemplare durch», erinnert sich Camenzind. Mancher Lederball hätte etwa deutlich an Grösse zugenommen nach der Prozedur oder zu viel Wasser aufgesogen. Die heutigen Bälle seien denn auch geklebt oder geschweisst, da Nähte mit der Zeit nachgeben könnten. Ebenso ist das traditionelle Leder mehrheitlich Kunststoffen gewichen, deren Oberfläche gezielt strukturiert wird, was besonders bei Nässe auf dem Feld eine griffigere Führung des Balls ermöglichen soll.

Angewandte Physik statt Magie

Und eben diese Oberfläche sei es, melden Kritiker, die für den unberechenbaren Flug des Balles sorge. Telstar 18 sei ein merkwürdiges, flatterndes Exemplar, behaupten Torhüter verschiedener WM-Teams, die den Ball bereits testen durften. Doch Camenzind kontert: «Hier kommt auch die Optik mit ins Spiel», erklärt der Ingenieur. Telstar 18 ist nicht aus den traditionellen Sechs- und Fünfecken aufgebaut, sondern aus unregelmässigen Elementen, die unsymmetrisch bedruckt sind. So könne der fliegende Ball bei entsprechenden Lichtverhältnissen durchaus ein ungewohnter Anblick sein. «Wir konnten in einer Studie mit einem computergesteuerten Fuss zeigen, dass Bälle, bei denen ein flatterndes Flugverhalten bemängelt wurde, sich im Experiment bei definierten Verhältnissen keineswegs so verhielten.»

Dass die Flugbahn eines Fussballs ohnehin eine komplexe und mitunter, gemäss Theorie der Aerodynamik auch chaotische Angelegenheit ist, machen sich die wahren Könner zu nutze. Denn anders als ein stromlinienförmiges Geschoss, das eine perfekte Parabel beschreibt, verformt sich der Ball, beispielsweise wenn ihn der Spieler tritt. «Die Deformation durch den auftreffenden Fuss gibt dem Ball zunächst eine etwas wabbelige Bewegung», erklärt Camenzind. Gute Spieler machten sich diesen Effekt zu Nutze, nach dem Motto «bend it like Beckham». Hierbei handele es sich jedoch eigentlich nicht um Zauberkunst, sondern um akkurat angewandte Physik. Und die muss gut einstudiert sein, denn sobald der Fuss wenige Millisekunden am Ball ist, kann der Spieler seine Bewegung nicht mehr willentlich beeinflussen. Die Zeit reicht einfach nicht aus, um Nervenimpulse vom Fuss bis ins Gehirn zu leiten und ein taktisch ausgefeiltes Feedback an die Muskulatur des Spielers zu senden. Und so muss in der Kürze des Schusses die Physik von Fuss und Ball perfekt sitzen. Bälle von gleichbleibender Qualität tragen dazu bei, dass dies gelingt.

Quelle: Medienmitteilung der EMPA vom 28.05.2018

 

Basiszinssatz nach deutschem BGB ab 01.01.2018: -0,88%

Basiszinssatz nach deutschem BGB ab 01.01.2018: -0,88%

Die deutsche Bundesbank hat gemäss der gesetzlichen Vorgabe in § 247 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 21.12.2017 im deutschen Bundesanzeiger den veränderten Basiszinsatz bekanntgegeben. Dieser beträgt ab 1. Januar 2018 -0,88%.

Der Basiszinssatz verändert sich zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgrösse seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestigen oder gefallen ist. Bezugsgrösse ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs. (vgl. § 247 Abs. 1 BGB)

Auf den Basiszinssatz gemäss § 247 BGB nimmt u.a. die Vorschrift des § 288 BGB über die Verzugszinsen Bezug.


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank vom 19.12.2017

Geänderte Verordnung über Internet-Domains (VID) tritt am 1. November 2017 in Kraft

Geänderte Verordnung über Internet-Domains (VID) tritt am 1. November 2017 in Kraft

Der Schweizerische Bundesrat hat mit Beschluss vom 15.09.2017 die Verordnung über Internet-Domains (VID) vom 5. November 2014 revidiert.

Diese Verordnung regelt die Nutzung von .ch- und .swiss-Domains. Mit der Änderung der Verordnung wurde die Rechtsgrundlage zur zeitlich befristeten Sperrung von Websites geschaffen, mit denen Phishingversuche unternommen werden oder schädliche Software verbreitet wird. Neu können auch die Adressen jener Websites gesperrt werden, die solche Aktivitäten nur indirekt unterstützen.

Die geänderte Verordnung tritt am 1. November 2017 in Kraft.

Währendem .ch-Domains gemäss Art. 45 Abs. 1 lit. b VID allen natürlichen und juristischen Personen offen stehen, sind .swiss-Domains derzeit gemäss Art. 53 Abs. 1 lit. b und Art. 55 Abs. 2 VID in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung des UVEK über die Internet-Domain «.swiss» nur für Unternehmen, die als juristische Person oder als Einzelfirma im Handelsregister eingetragen sind, sowie Vereinen und Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts, zugänglich. Natürlichen Personen und Einzelfirmen ohne Handelsregistereintrag ist die Registrierung einer .swiss-Domain bislang verwehrt.

Nach rund zwei Jahren Erfahrung mit der Registrierung von .swiss-Domains beabsichtigt der Bundesrat laut
einer Medienmitteilung des Bundesamtes für Kommunikation BAKOM vom 15.09.2017 voraussichtlich, die
restriktive Registrierungspraxis von .swiss-Domains zum Schutze des aktuellen Images und der derzeitigen Position von .swiss als Schaufenster der Schweizer Unternehmen und Institutionen beibehalten zu wollen.

Weitere Informationen:

EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen von Unternehmen im Internet

EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen von Unternehmen im Internet

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) hat sich in seinem am 17.10.2017 verkündeten Urteil in der Rechtssache C-194/16 «Bolagsupplysningen  vs. Svensk Handel» mit der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Unternehmen im Internet befasst.

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Bolagsypplysningen OÜ, ist ein Unternehmen mit Sitz in Estland, die auch Handel in Schweden betrieb. Die Beklagte – Svensk Handel AB –, eine Gesellschaft in Schweden, in der verschiedene Arbeitgeber des Handelssektors zusammengeschlossen sind, betrieb eine Webseite auf der sich eine „schwarze“ Liste und ein Diskussionsforum befand. Auf dieser Webseite wurden unrichtige Angaben über das estnische Unternehmen veröffentlicht und dieses auf der „schwarzen“ Liste mit dem Vermerk eingetragen, die Bolagsypplysningen betreibe Betrug und Gaunerei. Im Diskussionsforum der Website fänden sich nahezu 1000 Kommentare, darunter direkte Aufrufe zur Gewalt gegen Bolagsupplysningen und ihre Mitarbeiter. Die Svensk Handel habe sich geweigert, den Eintrag und die Kommentare zu entfernen. Dadurch sei die wirtschaftliche Tätigkeit von Bolagsupplysningen in Schweden lahmgelegt, so dass ihr täglich materieller Schaden entstehe. Die Webseite von Svensk Handel war auch in Estland zugänglich, die streitigen Angaben und Kommentare seien jedoch in schwedischer Sprache verfasst und für den Grossteil der in Estland lebenden Personen nicht verständlich.

Das estnische Unternehmen nahm die Svensk Handel AB auf Richtigstellung der Angaben und auf Beseitigung der Kommentare auf der Webseite sowie auf Schadensersatz wegen entgangenem Umsatz in Anspruch und verklagte die Svensk Handel AB vor einem Gericht in Tallinn, der Hauptstadt von Estland. Hiergegen wehrte sich Svensk Handel mit dem Einwand der gerichtlichen Unzuständigkeit estnischer Gerichte.

Streitig war die Auslegung von Artikel 7 Nr. 2 der Brüssel-I-Verordnung. Der estnische Oberste Gerichtshof ersuchte den EuGH daher um Präzisierung von Artikel 7 Nr. 2 Brüssel-I-Verordnung dahingehend, ob im Falle einer unerlaubten Handlung, die über das Internet begangen wurde (sog. Internetdelikt), eine gerichtliche Zuständigkeit nicht nur am Sitz des Verletzers/Schädigers, sondern auch an dem Ort begründet werden kann, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

„Mittelpunkt der Interessen“ massgeblich

Der EuGH stellte dazu fest (Hervorhebung durch den Verfasser):

„[…]dass eine juristische Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, Klage auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.

 Übt die betreffende juristische Person den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, kann sie den mutmaßlichen Urheber der Verletzung unter Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in diesem anderen Mitgliedstaat verklagen.“

Der EuGH stellt bei der der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Internetdelikten auf den Mittelpunkt der Interessen des Unternehmens ab und führt damit seine in Bezug auf natürliche Personen entwickelte Rechtsprechung zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011 «eDate Advertising», C-509/09 und C-161/10) fort und dehnt diese nun ausdrücklich auch auf juristische Personen aus.

Zur Konkretisierung des Mittelpunktes der Interessen des Unternehmens führen die Richter in Luxemburg aus (E. 41):

„Bei einer juristischen Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens, muss der Mittelpunkt der Interessen den Ort widerspiegeln, an dem ihr geschäftliches Ansehen am gefestigsten ist. Er ist daher anhand des Ortes zu bestimmen, an dem sie den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ausübt. Der Mittelpunkt der Interessen einer juristischen Person kann zwar mit dem Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes zusammenfallen, wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem sich dieser Sitz befindet, ihre gesamte oder den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt und deshalb das Ansehen, über das sie dort verfügt, größer ist als in jedem anderen Mitgliedstaat, doch ist der Ort des Sitzes für sich genommen im Rahmen einer solchen Prüfung kein entscheidendes Kriterium.“

Im vorliegenden Fall lag der Mittelpunkt der Interessen des klägerischen Unternehmens im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in Estland – die estnischen Gerichte waren damit zuständig für Klagen auf Berichtigung, Beseitigung und Schadensersatz.

Kein Kriterium bildete die Sprache und die Ausrichtung der Webseite – hier schwedische Sprache mit Ausrichtung auf Leser aus Schweden.

Was bedeutet dieses Urteil für die Schweiz?

Der EuGH hatte sich im vorliegenden Fall mit der Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – sogenannte ‚Brüssel-I-Verordnung‘ zu befassen. Diese Verordnung gilt für die Schweiz bekanntlich nicht. Allerdings ist die Schweiz Vertragsstaat des Lugano Übereinkommens (LugÜ), welches in Art. 5 Ziffer 3. des LugÜ eine identische Regelung gerichtlicher Zuständigkeiten für unerlaubte Handlungen vorsieht wie der vom EuGH im vorliegenden Fall auszulegende Art. 7 Nr. 2 Brüssel-I-Verordnung. Das LugÜ ist zwar vertragsautonom auszulegen, allerdings sieht es in Art. 1 Nr. 1 des Protokoll 2 des LugÜ vor, dass die Rechtsprechung des EuGH und der Gerichte der anderen Vertragsstaaten zum LugÜ und zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates und zu deren jeweiligen Vorgängererlassen gebührend zu berücksichtigen sind. Die Rechtsprechung des EuGH zu Parallelerlassen zum LugÜ wird denn auch vom Schweizerischen Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. BGE 138 III 386 ff. E. 2.4) bei der Auslegung des LugÜ berücksichtigt, selbst wenn das Bundesgericht die Begründung des EuGH für wenig überzeugend erachtet (vgl. BGE 124 III 188 ff. E. 4b.).

Damit hat das vorliegende Urteil des EuGH unmittelbare Relevanz für Unternehmen in der Schweiz, die sich mit persönlichkeitsrechtsverletzenden bzw. unerlaubten Handlungen, die über das Internet begangen werden, konfrontiert sehen.

Daraus folgt, dass ein Schweizer Unternehmen, dessen Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Interessen in der Schweiz liegt, und das durch eine im Geltungsbereich des LugÜ liegenden Verletzer im Internet – etwa über eine Webseite, Internetportal, Bewertungsplattformen, social-media-Plattformen (facebook, xing & Co) oder Foren – in seinen geschäftlichen Ansehen beeinträchtigt wird, in der Schweiz klagen kann. Derartige unerlaubte Handlungen können sich aus schlechten Bewertungen, falschen Tatsachenbehauptungen oder rufschädigenden Äusserungen ergeben. Für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist es im Übrigen unerheblich, ob lediglich Kommentare Dritter auf der Plattform widergegeben werden, der Plattformbetreiber also selber nicht der Urheber der verletzenden Äusserung ist. Weiter spielt es keine Rolle, ob die verletzenden Äusserungen in einer Schweizer Landessprache oder in einer anderen Sprache, z.B. Spanisch oder Englisch, abgefasst sind. Weiter spielt es auch keine Rolle, ob sich die Webseite erkennbar nur an ein Publikum des jeweiligen Landes oder der jeweiligen Sprachregion richtet.

BGH: 3D-Verpackungsmarke von Ritter-Sport-Tafelschokolade schutzfähig

BGH: 3D-Verpackungsmarke von Ritter-Sport-Tafelschokolade schutzfähig

Pressemitteilung Nr. 162/2017 des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2017

Bundesgerichtshof zur Schutzfähigkeit von dreidimensionalen quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade

Beschlüsse vom 18. Oktober 2017 – I ZB 105/16 und I ZB 106/16

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit denen die Löschung von quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade angeordnet worden ist.

Für die Markeninhaberin sind dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware „Tafelschokolade“ registriert. Sie zeigen jeweils die Vor- und Rückseite einer neutralen quadratischen Verpackung mit einem quadratischen Verpackungskörper, zwei seitlichen gezackten Verschlusslaschen und einer auf der Rückseite quer verlaufenden Verschlusslasche.

Die Löschungsantragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marken beantragt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschungsanträge zurückgewiesen. Mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde hat die Löschungsantragstellerin geltend gemacht, die in den Marken gezeigten Verpackungen gäben typische Gebrauchseigenschaften von darin verpackter Tafelschokolade im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG* wieder. Das Bundespatentgericht hat die Löschung der Marken angeordnet.

Der Bundesgerichtshof hat auf die Rechtsbeschwerden der Markeninhaberin die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Nach § 3 Abs. 1 MarkenG** können dreidimensionale Zeichen Marken sein. Dies gilt grundsätzlich auch für dreidimensionale Zeichen, die die Form einer Ware darstellen. Die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt solche Zeichen vom Markenschutz aus, die ausschließlich aus einer durch die Art der Ware selbst bedingten Form bestehen. Ob in den vorliegenden Fällen sich das Schutzhindernis auch auf die Verpackungen bezieht, brauchte nicht entschieden zu werden. Die quadratische Form der Tafelschokolade ist keine wesentliche Gebrauchseigenschaft von Schokolade.

Vorinstanzen:

I ZB 105/16

BPatG – Beschluss vom 4. November 2016 – 25 W (pat) 78/14, GRUR 2017, 275

und

I ZB 106/16

BPatG – Beschluss vom 4. November 2016 – 25 (W) pat 79/14, BeckRS 2016, 19545

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

*§ 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lautet:

Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist.

**§ 3 Abs. 1 MarkenG lautet:

Als Marke können alle Zeichen, insbesondere […] dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware […], die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

BGH: Schutzfähigkeit von 3D-Formmarke für Dextro-Energy-Traubenzucker bejaht

BGH: Schutzfähigkeit von 3D-Formmarke für Dextro-Energy-Traubenzucker bejaht

Bundesgerichtshof zur Schutzfähigkeit von dreidimensionalen Formmarken für Traubenzucker

Beschlüsse vom 18. Oktober 2017 – I ZB 3/17 und I ZB 4/17

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit denen die Löschung von dreidimensionalen Formmarken für Traubenzucker angeordnet worden ist.

Für die Markeninhaberin sind dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware „Traubenzucker“ registriert. Die Marke, die Gegenstand des Verfahrens I ZB 3/17 ist, zeigt einen Stapel von acht quaderförmigen Täfelchen mit quadratischer Grundfläche, mittigen V-förmigen Einkerbungen und abgeschrägten und abgerundeten Ecken und Kanten. Die Marke, die Gegenstand des Verfahrens I ZB 4/17 ist, zeigt ein entsprechend gestaltetes Einzeltäfelchen aus unterschiedlicher Perspektive.

Der Löschungsantragsteller hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marken mit der Begründung beantragt, ihre Form sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG* zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschung der Marken angeordnet. Die Beschwerden der Markeninhaberin sind erfolglos geblieben. Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat der Bundesgerichtshof die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Nach § 3 Abs. 1 MarkenG** können dreidimensionale Gestaltungen Marken sein. Dies gilt grundsätzlich auch für dreidimensionale Zeichen, die die Form einer Ware darstellen. Die Regelung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schließt solche Zeichen vom Markenschutz aus, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung des Bundespatengerichts, alle wesentlichen Merkmale der in den Marken gezeigten Warenformen wiesen technische Funktionen auf, nicht gebilligt.

Die Quaderform der Täfelchen und deren V-förmigen Einkerbungen haben technische Funktionen. Die Quaderform der Täfelchen erleichtert das platzsparende Mitführen der Traubenzuckerstücke etwa bei sportlichen Aktivitäten. Die Vertiefungen gewährleisten als Sollbruchstellen die leichte und gleichmäßige Portionierung von Traubenzuckereinheiten. Soweit die besonders geformten Ecken und Kanten der Täfelchen den Verzehr angenehmer gestalten, liegt darin keine technische Funktion, sondern eine sensorische Wirkung beim Verbrauch. Eine Warenformmarke ist nur dann als Marke nicht schutzfähig, wenn alle ihre wesentlichen Merkmale technische Funktionen aufweisen. Da dies für die Gestaltung der Ränder der Täfelchen und die Stapelung der Einzeltäfelchen mit diesen Rändern nicht festgestellt werden kann, konnten die angegriffenen Entscheidungen des Bundespatentgerichts keinen Bestand haben.

Vorinstanzen:

I ZB 3/17

BPatG – Beschluss vom 27. Dezember 2016 – 25 W (pat) 60/14, juris

und

I ZB 4/17

BPatG – Beschluss vom 27. Dezember 2016 – 25 (W) pat 59/14, GRUR 2017, 525

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

*§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lautet:

Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.

**§ 3 Abs. 1 MarkenG lautet:

Als Marke können alle Zeichen, insbesondere […] dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware […], die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

BGer 4A_92/2017: Art und Weise des Vollzugs einer Freistellung nach Kündigung führt zu deren Missbräuchlichkeit

BGer 4A_92/2017: Art und Weise des Vollzugs einer Freistellung nach Kündigung führt zu deren Missbräuchlichkeit

Das Bundesgericht hatte sich in einem Entscheid vom 26.06.2017 (4A_92/2017), veröffentlicht am 27.09.2017, mit der Frage zu befassen, ob die Art und Weise einer vollzogenen Freistellung einer Arbeitnehmerin kurz nach Aussprache einer sachlich unbegründeten Kündigung, zu deren Missbräuchlichkeit führt.

Sachverhalt:

Die Beschwerdegegnerin war als Direktorin im Bereich Human Resources bei einem Alters-und Pflegeheim (Beschwerdeführerin) im Kanton Genf angestellt. Sie wurde wegen diverser Entlassungen von Angestellten von einem Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin immer wieder kritisiert.
Der Arbeitgeber unterstützte jedoch die Direktorin in ihrem Handeln und sprach ihr das volle Vertrauen aus. Als ein dritter Stellvertreter für die Direktorin eingestellt wurde, kontrollierte dieser die Arbeit seiner Vorgesetzten, was zu Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten führte. Die Verantwortlichen baten die Direktorin um gute Zusammenarbeit mit ihrem Stellvertreter. Am 17.01.2014 wurde der Direktorin auf den 31.07.2014 das Arbeitsverhältnis gekündigt und sie mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung freigestellt. Der Arbeitgeber führte als Kündigungsgrund den Vertrauensbruch mit der Direktorin aufgrund Mängel in der Personalleitung sowie die mangelnde Zusammenarbeit mit dem nun schon bereits dritten Stellvertreter an.

Umgehend nach Aussprache der Kündigung musste die Direktorin ihre Schlüssel abgeben und das Betriebsgelände verlassen. Ihr wurde ein Hausverbot erteilt. Wenige Tage später konnte sie in Begleitung einer Person einige ihrer persönlichen Sachen abholen. Zudem konnte sich die Beschwerdegegnerin von den Bewohnern des Alters- und Pflegeheims sowie von den leitenden Angestellten nicht mehr verabschieden.

Die Direktorin nahm daraufhin ihren ehemaligen Arbeitgeber u.a. auf Zahlung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung in Anspruch.

Vorinstanzen:

Die kantonalen Vorinstanzen – le Tribunal des prud’hommes du canton de Genève und la Chambre des prud’hommes de la Cour de justice du canton de Genève – erachteten die Kündigung aufgrund der schockierenden Art und Weise wie die Kündigung ausgesprochen wurde sowie aufgrund des Fehlens eines plausiblen, sachlichen Grundes für die Kündigung als missbräuchlich.

Das Bundesgericht schloss sich in seiner Begründung der Vorinstanz an und stellte fest, dass eine Kündigung, der eine sofortige Freistellung der Arbeitnehmerin folgt, verbunden mit der Rückgabe von Schlüsseln, der Aussprache eines Verbotes, das Betriebsgelände des Arbeitgebers betreten zu dürfen, sowie der Begleitung durch eine Person, um ihren Arbeitsplatz (persönliche Sachen) zu räumen und das Betriebsgelände zu verlassen,
nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sei, bei den anderen Mitarbeitern den Anschein zu erwecken, die Kündigung sei aus schwerwiegenden Gründen ausgesprochen worden, was missbräuchlich sei (E. 2.5.2). Im vorliegenden Fall habe für den Arbeitgeber kein Grund für ein derartiges Vorgehen im Zusammenhang mit der Freistellung und mit der Begleitung vorgelegen, da weder der Verlust heikler Daten noch der Verlust der Kundschaft des Arbeitgebers zu befürchten war. Der Arbeitgeber wollte damit nur verhindern, dass die Arbeitnehmerin mit den anderen Arbeitskollegen noch kommunizierte (E. 2.3.1). Ferner konnte der Arbeitgeber seine Kündigung nicht plausibel begründen. So sei die Führung des Personals von der Arbeitnehmerin in der Vergangenheit nie bemängelt worden. Vielmehr habe ein Vorstandsmitglied die Arbeitnehmerin aus persönlichen Gründen loswerden wollen.

Die Höhe der Entschädigung erachtete das Bundesgericht mit vier Monatslöhnen als angemessen, wobei es die hohe Anzahl Dienstjahre (20) und das Lebensalters (49 Jahre) der Gekündigten sowie den fehlenden Nachweis eines beruflichen Fehlverhaltens und die Schwierigkeit für die Gekündigte, eine neue Arbeitsstelle zu finden, berücksichtigte (E. 3.3.1).

BGer 4A_706/2016: Keine Kumulation von Kündigungssperrfristen bei psychischer Erkrankung

BGer 4A_706/2016: Keine Kumulation von Kündigungssperrfristen bei psychischer Erkrankung

Das Bundesgericht hatte sich in einem Entscheid vom 04.08.2017 (4A_706/2016), publiziert am 05.10.2017, mit der Frage zu befassen, inwieweit verschiedene Krankheiten, welche zu einer fort­dauernden Arbeitsunfähigkeit führen, jeweils eine neue Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 Ziff. b OR aus­lösen.

Sachverhalt:

Der Arbeitnehmer war seit dem 1. Oktober 2010 bei der Arbeitgeberin (Beschwerdeführerin) angestellt. Vom 11.06.2013 bis 15.01.2014 wurde der Arbeitnehmer aufgrund einer koronaren Herzkrankheit vollkommen arbeitsunfähig. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit vom 16.01.2014 bis 05.05.2014 ergab sich nach einem operierten Nierentumor. Aus psychischen Gründen – Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion – war der Arbeitnehmer dann vom 06.05.2014 bis 31.10.2014 ebenfalls zu 100% arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin kündigte dem Arbeitnehmer mit Schreiben vom 26.06.2014 auf den 31.08.2014. Diese Kündigung wurde vom Arbeitnehmer angefochten. Nach erfolgloser Schlichtung kündigte die Arbeitgeberin sicherheitshalber ein zweites Mal mittels Schreibens vom 21.01.2015 auf den 31. März 2015.

Vorinstanzen:

Der Arbeitnehmer erhob Klage beim Zivilgericht Littoral et du Val-de-Travers, welches entschied, dass die 90-tägige Sperrfrist i.S.v. Art. 336c Abs. 1 Ziff. b OR verstrichen sei, weil die psychischen Probleme des Angestellten gemäss ärztlichem Bericht des behandelten Arztes bereits vor dem 06.05.2014 bestanden hätten und folglich keine neue Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 06.05.2014 gegeben sei. Deshalb wurde die Kündigung vom 26.06.2014 als gültig erachtet.

Das Kantonsgericht Neuenburg hob diesen erstinstanzlichen Entscheid auf und bestätigte die nichtige Kündigung. Es bejahte den Beginn der 90-tägigen Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 Ziff. b OR ab dem 6. Mai 2014, weil die psychischen Beschwerden als neue Ursache zu erachten seien und demzufolge eine neue Arbeitsunfähigkeit des Angestellten vorläge.

Begründung des Bundesgerichts:

Dieses zweitinstanzliche Urteil zog die Arbeitgeberin an das Bundesgericht weiter. Dieses überprüfte die Ursache(n) der verschiedenen Krankheiten, welche zur fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geführt hatten und inwieweit diese Krankheiten einen Einfluss aufeinander ausübten. Das Bundesgericht stellte fest, dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung lange und schlimme Erkrankungen belastend auf das soziale Umfeld des Patienten auswirken können und die Angst, die Arbeitsstelle zu verlieren, sowie die miteinhergehenden finanziellen Probleme zu psychischen Erkrankungen führen können. Es sah die Hauptursache der psychischen Erkrankungen des Arbeitnehmers in seinen Vorerkrankungen (Herzkrankheit und Nierentumor), sodass keine neue Sperrfrist ausgelöst worden sei (E. 3.5).

Der vom Bundesgericht zu würdigende Bericht des behandelnden Hausarztes des Arbeitnehmers, wonach sich die Gründe der Arbeitsunfähigkeit vermischen würden und keine scharfe Trennlinie gezogen werden könne (E. 3.1 und 3.5), wurde denn dem Arbeitnehmer auch zum „Verhängnis“. Bemerkenswerterweise steht der hausärztlichen Einschätzung ein Fachbericht des Chef­arztes einer psycha­trischen Fachklinik entgegen, wonach ein Zu­sammenhang zwischen den physischen Erkrankungen und der ps­ychischen Erkrankung gerade nicht gesehen, sondern der Grund der psychischen Er­krankung in verschiedenen sozialen Stressfaktoren verortet wurde (E. 3.5).

BGer 4A_134/2017: „Beratungsvertrag“ mit Einmann-AG als Arbeitsverhältnis qualifiziert

BGer 4A_134/2017: „Beratungsvertrag“ mit Einmann-AG als Arbeitsverhältnis qualifiziert

In einem am 02.10.2017 veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 24.07.2017 (4A_134/2017) hatte sich dieses mit der Qualifizierung eines „Beratungsvertrages“ mit einer Einmann-AG zu befassen.

Sachverhalt:
Die beschwerdeführende A-AG bezweckt u.a. Unternehmensberatung und schloss im Jahr 2004 einen Beratungsvertrag mit der C-AG (Beschwerdegegnerin). An der A-AG war nur eine natürliche Person, nämlich D., beteiligt. Mit dem Beratungsvertrag verpflichtete sich die A-AG, der C-AG den D. als Berater und Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen. Der Vertrag hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt:

  • Einräumung des Weisungsrechts gegenüber D. von der A-AG an den Verwaltungsrat der C-AG

  • Honorar von jährlich CHF 250’000.- zuzüglich 25% bzw. zusätzlich 15% Provision bei Erreichen der vorgegebenen Ziele

  • unbestimmte Vertragslaufzeit mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten

  • fünf Wochen Ferien pro Jahr im Honorar enthalten

D. war bei der C-AG während Jahren in die Betriebsorganisation eingegliedert und von dieser wirtschaftlich abhängig.
Die A-AG war praktisch stillgelegt und diente lediglich als Zahlstelle für die vereinbarten Honorare. Die C-AG kündigte den Vertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 12 Monaten per Ende April 2011. Daraufhin machte die A-AG aus dem beendeten Vertrag Restansprüche (ausstehende Honorare, Provisionen und Spesenentschädigung) aus Auftragsverhältnis, hilfsweise aus einem Personalverleihverhältnis geltend.

Die Vorinstanzen – Bezirksgericht Willisau und Kantonsgericht Luzern – qualifizierten die von D. erbrachten Leistungen zwischen der C-AG und D. als Arbeitsverhältnis und nicht als Auftrag (zwischen A-AG und C-AG mit D als Erfüllungsgehilfe) – wie von den Parteien behauptet – oder verdeckten Personalverleih, wobei das erstinstanzliche Gericht (Bezirksgericht Willisau) noch einen echten Vertrag zugunsten Dritter, woraus D. als Arbeitnehmer Rechte ableiten könne, und eventuell einen konkludent zustandegekommenen Arbeitsvertrag zwischen der C-AG und D. annahm.

Das Bundesgericht schloss sich in seiner Begründung den Feststellungen der Vorinstanz an und qualifizierte die Dienstleistungsbeziehung zwischen D. und der C-AG trotz fehlendem schriftlichen Vertrag als normales Arbeitsverhältnis (vgl. E.2), wobei der „Beratungsvertrag“ zwischen der A-AG und der C-AG nur simuliert gewesen sei (vgl. E.2.5). Weiter führt das Bundesgericht aus, der an der Beschwerdeführerin allein berechtigte D. habe zwar im Namen der Beschwerdeführerin (A-AG) – aber im Ergebnis für sich selbst – einen Vertrag mit der Beschwerdegegnerin abgeschlossen, der seinem Inhalt nach die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten zwischen D. und der Beschwerdegegnerin regele und der in der Folge tatsächlich als Arbeitsvertrag zwischen diesen Parteien gelebt worden sei (vgl. E.2).

BGH: keine Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen

BGH: keine Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen

Pressemitteilung Nr. 146/2017 des Bundesgerichtsofes vom 21.09.2017

Keine Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen

Urteil vom 21. September 2017 – I ZR 11/16 – Vorschaubilder III

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass eine Anzeige von urheberrechtlich geschützten Bildern, die von Suchmaschinen im Internet aufgefunden worden sind, grundsätzlich keine Urheberrechte verletzt.

Die Klägerin betreibt eine Internetseite, auf der sie Fotografien anbietet. Bestimmte Inhalte ihres Internetauftritts können nur von registrierten Kunden gegen Zahlung eines Entgelts und nach Eingabe eines Passworts genutzt werden. Die Kunden dürfen die im passwortgeschützten Bereich eingestellten Fotografien auf ihre Rechner herunterladen.

Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite die kostenfreie Durchführung einer Bilderrecherche anhand von Suchbegriffen an, die Nutzer in eine Suchmaske eingeben können. Für die Durchführung der Bilderrecherche greift die Beklagte auf die Suchmaschine von Google zurück, zu der sie auf ihrer Webseite einen Link gesetzt hat. Die Suchmaschine ermittelt die im Internet vorhandenen Bilddateien, indem sie die frei zugänglichen Webseiten in regelmäßigen Abständen nach dort eingestellten Bildern durchsucht. Die aufgefundenen Bilder werden in einem automatisierten Verfahren nach Suchbegriffen indexiert und als verkleinerte Vorschaubilder auf den Servern von Google gespeichert. Geben die Internetnutzer in die Suchmaske der Beklagten einen Suchbegriff ein, werden die von Google dazu vorgehaltenen Vorschaubilder abgerufen und auf der Internetseite der Beklagten in Ergebnislisten angezeigt.

Bei Eingabe bestimmter Namen in die Suchmaske der Beklagten wurden im Juni 2009 verkleinerte Fotografien von unter diesen Namen auftretenden Models als Vorschaubilder angezeigt. Die Bildersuchmaschine von Google hatte die Fotografien auf frei zugänglichen Internetseiten aufgefunden.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Fotografien erworben und diese in den passwortgeschützten Bereich ihrer Internetseite eingestellt. Von dort hätten Kunden die Bilder heruntergeladen und unerlaubt auf den von der Suchmaschine erfassten Internetseiten veröffentlicht. Sie sieht in der Anzeige der Vorschaubilder auf der Internetseite der Beklagten eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte und hat diese auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dadurch, dass sie die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder gespeicherten Fotografien auf ihrer Internetseite angezeigt hat, nicht das ausschließliche Recht der Klägerin aus § 15 Abs. 2 UrhG* zur öffentlichen Wiedergabe der Lichtbilder verletzt. Das gilt auch für den Fall, dass die Fotografien ohne Zustimmung der Klägerin ins frei zugängliche Internet gelangt sind.

§ 15 Abs. 2 UrhG setzt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (GRUR 2016, 1152 – GS Media/Sanoma u.a.) stellt das Setzen eines Links auf eine frei zugängliche Internetseite, auf der urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis des Rechtsinhabers eingestellt sind, nur dann eine öffentliche Wiedergabe dar, wenn der Verlinkende die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Internetseite kannte oder vernünftigerweise kennen konnte. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass das Internet für die Meinungs- und Informationsfreiheit von besonderer Bedeutung ist und Links zum guten Funktionieren des Internets und zum Meinungs- und Informationsaustausch in diesem Netz beitragen. Diese Erwägung gilt auch für Suchmaschinen und für Links, die – wie im Streitfall – den Internetnutzern den Zugang zu Suchmaschinen verschaffen.

Im Streitfall musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass die Fotografien unerlaubt in die von der Suchmaschine aufgefundenen Internetseiten eingestellt worden waren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht zwar bei Links, die mit Gewinnerzielungsabsicht auf Internetseiten mit rechtswidrig eingestellten Werken gesetzt worden sind, eine widerlegliche Vermutung, dass sie in Kenntnis der fehlenden Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zur Veröffentlichung der Werke im Internet gesetzt worden sind. Diese Bewertung beruht auf der Annahme, dass von demjenigen, der Links mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, erwartet werden kann, dass er sich vor der öffentlichen Wiedergabe vergewissert, dass die Werke auf der verlinkten Internetseite nicht unbefugt veröffentlicht worden sind. Diese Vermutung gilt wegen der besonderen Bedeutung von Internetsuchdiensten für die Funktionsfähigkeit des Internets jedoch nicht für Suchmaschinen und für Links, die zu einer Suchmaschine gesetzt werden. Von dem Anbieter einer Suchfunktion kann nicht erwartet werden, dass er überprüft, ob die von der Suchmaschine in einem automatisierten Verfahren aufgefundenen Bilder rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor er sie auf seiner Internetseite als Vorschaubilder wiedergibt.

Für die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe muss deshalb feststehen, dass der Anbieter der Suchfunktion von der fehlenden Erlaubnis des Rechtsinhabers zur Veröffentlichung der Werke im Internet wusste oder hätte wissen müssen. Im Streitfall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei der Wiedergabe der Fotografien als Vorschaubilder auf ihrer Internetseite damit rechnen musste, dass die Bilder unerlaubt ins frei zugängliche Internet eingestellt worden waren.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Urteil vom 3. Dezember 2010 – 310 O 331/09

OLG Hamburg – Urteil vom 10. Dezember 2015 – 5 U 6/11

*§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG:

Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe).

Weitere Informationen:

Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche

Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche

Wird ein Ferienanspruch nicht in dem Dienstjahr, in dem er entstanden ist, vom Arbeitnehmer bezogen, besteht Einigkeit darüber, dass diese Ansprüche nicht verwirken, sondern der Verjährung unterliegen (BGE 130 III 25).

Die Verjährungsfrist von Ferienansprüchen beträgt 5 Jahre (Art. 128 Ziffer 3 OR; BBl 1982 III 201 (237); BGE 136 III 94) und beginnt nach Art. 130 Abs. 1 OR mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Fälligkeit tritt grundsätzlich am letzten Tag ein, an dem die restlichen nicht bezogenen Ferientage noch während dem laufenden Dienstjahr bezogen werden könnten (BGE 136 III 94). Der pro Dienstjahr entstehende und fällig werdende Ferienanspruch verjährt damit für jedes Dienstjahr gesondert (vgl. auch BRÜHWILER, JÜRG, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar, 3. Aufl., Art. 329c N 1). Gleiches gilt meines Erachtens, wenn statt des Dienstjahres (gesetzlicher Regelfall) arbeitsvertraglich das Kalenderjahr oder das Geschäftsjahr als Ferien-Referenzperiode vereinbart wird.

Häufig anzutreffende Regelungen in Arbeitsverträgen, wonach Ferien bis zu einem bestimmten Monat im nächsten Kalenderjahr bezogen werden müssten, andernfalls sie verfallen würden, sind nach Art. 341 Abs. 2 OR bzw. Art. 129 OR nichtig.

Wenn ein vom Arbeitnehmer nicht bezogenes Ferienguthaben (Restanspruch) am Ende eines Dienstjahres vom Arbeitgeber mitgeteilt wird oder auf das neue Dienstjahr übertragen wird – z.B. wenn der Ferienguthabensaldo jeweils auf den Lohnabrechnungen oder im Arbeitszeiterfassungssystem festgehalten wird – wird vereinzelt in Lehre und Rechtsprechung eine Neuerung einer alten Schuld gestützt auf Art. 117 Abs. 2 OR analog angenommen, was die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnen lässt (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E.3.4; OGer ZG in JAR 1983 S. 145; KGer ZG JAR 1983 S. 145, STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 329c N5; BRÜHWILER a.a.O. Art. 329c N 1). Erforderlich ist jedoch eine ausdrückliche Bestätigung des Feriensaldos (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7. Aufl. Art. 329c N5).

Auf die Ordnung zur Anrechnung von Schulden (Tilgung) – hier die Ferienschuld des Arbeitgebers – finden die Art. 86 und 87 OR Anwendung (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E. 3.4, so auch KantGer/FR v. 23.09.2015, 102 2015 106 E. 2.a, das von einer analogen Anwendung bezüglich aufgelaufenem Ferienguthaben ausgeht). Die gesetzliche Regelung sieht im Wesentlichen folgende Schuldentilgungsordnung vor:

1. Erklärung des Schuldners (hier des Arbeitgebers) bei Zahlung (d.h. Feriengewährung), welche Schuld er tilgen will (Art. 86 Abs. 1 OR);
2. mangelt es an einer Erklärung im Sinne von Ziffer 1., so wird der Ferienbezug an diejenige Schuld angerechnet, die der Arbeitnehmer bezeichnet (Art. 86 Abs. 2 OR);
3. liegt weder eine Erklärung nach Ziffer 1. noch nach Ziffer 2. vor, so ist der Ferienbezug auf die früher verfallen Schuld anzurechnen (Art. 87 Abs. 1 OR).

Wenn also, was in der Praxis der wohl häufigste Fall sein wird, weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erklärt wird, welcher
Ferienanspruch aus welchem Dienstjahr auf die zu beziehenden Ferien angerechnet werden soll, so wird nach Art. 87 Abs. 1 OR automatisch jeweils die frühesten fälligen Ferienansprüche angerechnet. Werden so jeweils die am frühestens verjährenden Ferienansprüche getilgt,
läuft ein Arbeitnehmer weniger Gefahr in die Verjährungsfalle zu laufen.

Zu Gunsten eines Arbeitgebers könnte meines Erachtens arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass beim Bezug von
Ferien zunächst der im jeweils selben Dienstjahr entstandene Ferienanspruch angerechnet wird und zweitrangig allfällig bestehende Ferienansprüche, die in einem vorherigen Dienstjahr entstanden und soweit diese nicht verjährt sind.

Auskunftspflicht von YouTube & Google über E-Mail-Adressen bei Urheberrechtsverstoss Dritter

Auskunftspflicht von YouTube & Google über E-Mail-Adressen bei Urheberrechtsverstoss Dritter

Presseinformation des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2017

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: YouTube und Google müssen E-Mail-Adresse ihrer Nutzer bei Urheberrechtsverstoß mitteilen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Urteil YouTube und Google verpflichtet, die E-Mail-Adresse ihrer Nutzer im Fall einer Urheberrechtsverletzung bekanntzugeben. Zugleich hat es festgestellt, dass über die Telefonnummer und die zugewiesene IP-Adresse keine Auskunft zu erteilen ist.


Die Klägerin ist eine deutsche Filmverwerterin. Sie besitzt die ausschließlichen Nutzungsrechte an zwei Filmen, die von drei verschiedenen Nutzern der Plattform YouTube öffentlich angeboten und jeweils mehrere tausendmal abgerufen wurden. Die Nutzer handelten unter einem Pseudonym.

 

Die Klägerin möchte diese Nutzer wegen der Verletzung ihrer Urheberrechte in Anspruch nehmen. Sie hatte deshalb zunächst von den beklagten Unternehmen YouTube und Google die Angabe der Klarnamen und der Postanschrift der Nutzer begehrt. Nachdem die Beklagten erklärt hatten, dass diese Angaben ihnen nicht vorlägen, verfolgt sie diesen Anspruch nicht weiter.

 

Sie begehrt nunmehr noch Auskunft über die E-Mail Adressen, Telefonnummern und die IP-Adressen.

 

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass kein Anspruch auf Bekanntgabe dieser Daten bestünde. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

 

Das OLG hat die Beklagten unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils verpflichtet, die E-Mail-Adressen bekanntzugeben. Die Telefonnummern und maßgeblichen IP-Adressen müssen dagegen auch nach Ansicht des OLG nicht mitgeteilt werden.

 

Zur Begründung führt das OLG aus, die Beklagten hätten für die von den Nutzern begangenen Rechtsver-letzungen gewerbsmäßig Dienstleistungen (§ 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) zur Verfügung gestellt. Sie seien damit gemäß § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG verpflichtet, Auskunft über „Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke (…)“ zu erteilen. Unter den Begriff der „Anschrift“ falle auch die E-Mail-Adresse. Den Begriffen „Anschrift“ und “Adresse“ komme keine un-terschiedliche Bedeutung zu. „Dass mit der Bezeichnung „Anschrift“ im Deutschen ursprünglich ledig-lich die Postanschrift gemeint war, ist historisch begründet“, so das OLG. Es gehe allein um die Angabe des Ortes, an dem man jemanden „anschreiben“ könnte. Die gewählte Formulierung der „Anschrift“ gehe zudem auf das Jahr 1990 zurück. Zu diesem Zeitpunkt habe der E-Mail-Verkehr „kaum eine praktische Bedeutung“ gehabt. Setze man demnach „Anschrift“ mit „Adresse“ gleich, erfasse dies eindeutig auch die E-Mail-Adresse. Auch hier handele es sich um eine Angabe, „wohin man schreiben muss, damit das Ge-schriebene den Empfänger erreicht“. Nur dieses Begriffsverständnis trage den geänderten Kommunikati-onsgewohnheiten und dem Siegeszug des elektronischen Geschäftsverkehrs hinreichend Rechnung.

 

Telefonnummer und IP-Adresse seien dagegen nicht vom Auskunftsanspruch umfasst. Nach dem allge-meinen Sprachgebrauch verkörperten „Anschrift“ einerseits und „Telefonnummer“ andererseits unter-schiedliche Kontaktdaten. Der von der Klägerin eingeführte Begriff der „Telefonanschrift“ sei auch nicht gebräuchlich.

 

Bei IP-Adressen handele es sich – trotz des Wortbestandteils „Adresse“ – bereits deshalb nicht um eine „Anschrift“, da der IP-Adresse keinerlei Kommunikationsfunktion zukomme. Sie diene allein der Identifizierung des Endgerätes, von dem aus eine bestimmte Webseite aufgerufen werde.

 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; das OLG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es kann in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abgerufen werden.

 

Oberlandesgericht von Frankfurt am Main, Urteil vom 22.8.2017, AZ 11 U 71/16 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 3.5.2016, AZ 2/3 O 476/13)

Erläuterung:
Aus dem in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt sich u.a. Folgendes: Auf der Internetplattform von YouTube können audiovisuelle Beiträge von Dritten eingestellt und anderen unentgeltlich zugänglich gemacht werden. Die Nutzer müssen sich vor einem Upload anmelden. Anzuge-ben ist zwingend ein Name, eine E-Mail-Adresse sowie das Geburtsdatum. Für die Anmeldung benötigt man ein Nutzerkonto bei Google, dem Mutterkonzern von YouTube.

 

§ 101 [1] Anspruch auf Auskunft
(1) 1Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. 2Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben.

 

(2) 1In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
1. rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte,
2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4. nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war,
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisver-weigerung berechtigt. 2Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. 3Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

 

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
2. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Er-zeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse bezahlt wurden.

 

Quellen:

BGer 4A_115/2017: Urheberschutz für ‚HfG-Barhocker‘ von Max Bill

BGer 4A_115/2017: Urheberschutz für ‚HfG-Barhocker‘ von Max Bill

Das Schweizerische Bundesgericht hatte in einem Beschwerdeverfahren (Aktenzeichen: 4A_115/2017) über den Urheberschutz des ‚HfG-Barhockers‘ von Max Bill, einem ursprünglich für die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm geschaffenen Barhocker, zu entscheiden. Mit Urteil vom 12. Juli 2017 (Aktenzeichen: 4A_115/2017)  sprach sie dem Barhocker Urheberschutz als Werk der angewandten Kunst im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. f. Urheberrechtsgesetz (URG) zu.

Was war passiert?

Eine Stiftung, die die Wahrung der Werke von Max Bill bezweckt, hatte einer Möbelfabrik im Rahmen eines Lizenzvertrages das ausschliessliche Recht zur Herstellung und zum Vertrieb bestimmter von Max Bill entworfener Möbel eingeräumt. Dieser Lizenzvertrag wurde seitens der Stiftung zunächst ordentlich und dann fristlos im Jahr 2011 gekündigt. Hiergegen opponierte die Möbelfabrik und vertrat die Meinung, an den streitgegenständlichen Möbeln (u.a. der HfG-Barhocker) bestünden keine Schutzrechte. In der Folge bot die Möbelfabrik den streitgegenständlichen HfG-Barhocker weiterhin auf ihrer Webseite an. Die Stiftung schloss mit einer anderen Möbelmanufaktur einen neuen exklusiven Lizenzvertrag zur Re-Edition der gesamten „Max-Bill-Kollektion“.

Die Stiftung erhob vor dem Handelsgericht St. Gallen Klage und nahm die Möbelfabrik u.a. auf Unterlassung in Anspruch. Dieses verwehrte mit Urteil vom 30. November 2016 dem HfG-Barhocker den urheberrechtlichen Schutz im Wesentlichen mit der Begründung, die Formgebung des Hockers bestehe aus vorbekannten Elementen, die auf das absolute Minimum reduziert seien, so dass für weitere formale Ausgestaltungen kein Spielraum bleibe bzw. sich die Formgebung künstlerisch gar nicht mehr individualisieren lasse (vgl. Erwägung 2.7 des Bundesgerichts).

Das Bundesgericht führte zur Begründung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Barhockers u.a. aus:

2.1. (…) Geschützt ist, was sich als individuelle oder originelle Schöpfung von den tatsächlichen oder natürlichen Vorbedingungen im Rahmen der Zweckbestimmung abhebt (BGE 125 III 328 E. 4b S. 331; 117 II 466 E. 2a). Diktiert allerdings der Gebrauchszweck die Gestaltung durch vorbekannte Formen derart, dass für individuelle oder originelle Merkmale praktisch kein Raum bleibt, liegt ein rein handwerkliches Erzeugnis vor, das vom Schutz des Urheberrechts auszunehmen ist (BGE 125 III 328 E. 4b S. 331; 117 II 466 E. 2a; 113 II 190 E. I.2a S. 197; je mit Hinweisen). Dabei werden nach der Rechtsprechung bei Werken der angewandten Kunst verhältnismässig hohe Anforderungen an die Individualität gestellt; im Zweifel ist danach auf eine rein handwerkliche Leistung zu erkennen (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197 mit Hinweis; bestätigt im Urteil 4A_78/2011 vom 2. Mai 2011 E. 2.4).“

„2.2. Für Sitzmöbel besteht eine Vielzahl möglicher Formen, weshalb sich nicht sagen lässt, ihre Gestaltung sei weitgehend oder gar ausschliesslich durch deren Zweck vorgegeben. Es ist denn auch in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass sie urheberrechtlichen Schutz geniessen können (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197 mit Hinweisen). Erforderlich und hinreichend ist für diesen Schutz, dass über eine rein handwerkliche oder industrielle Arbeit hinaus eine individuelle künstlerische Gestaltung erkennbar ist, die sich von den vorbekannten Formen deutlich unterscheidet, was namentlich zutrifft, wenn sich das Möbelstück von bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einleitet oder wesentlich mitbestimmt (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197; vgl. auch BGE 134 III 547 E. 2 S. 549). Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten verneint, dass der HfG-Barhocker einen Stil wesentlich mitgeprägt habe. Der Hocker zeichnet sich nach den Erwägungen im angefochtenen Urteil durch seine reduzierte Formgebung aus, wobei das Konzept des Barhockers definiert wird als Verbindung einer runden Sitzfläche mit leicht schräg gestellten Beinen und einem Ring, der die Konstruktion stabilisiert und gleichzeitig als Fussstütze dient. Die Vorinstanz stellt fest, dass dieses Konzept zum Zeitpunkt der Entwicklung des HfG-Barhockers bekannt war und führt namentlich vier ältere Modelle an, in denen nahezu alle Bestandeselemente des HfG-Barhockers auf die eine oder andere Weise enthalten waren, wobei unerheblich sei, ob die Hocker drei- oder vierbeinig ausgestaltet seien, da die gemeinsame Urform mit ihren schräg in das Sitzbrett eingepassten Beinstollen weitere Varianten gleichsam vorgebe. Die Vorinstanz fügt zudem an, dass in etwa der gleichen Zeit ein Barhocker von Robin Day hergestellt wurde, dessen einziger Unterschied darin bestehe, dass die Stahlrohre unterhalb der Sitzfläche mittig zusammenlaufen, während sie beim HfG-Barhocker etwas auf Distanz gesetzt sind.“

„2.4. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, die Vorinstanz habe eine unzulässige „mosaikartige“ Betrachtung angewandt, indem sie den vorbekannten Formenschatz in einzelne Elemente zergliedert und diese miteinander verglichen habe. Für den urheberrechtlichen Schutz entscheidend ist der künstlerische Eindruck der Formgebung, der nicht die notwendige oder gar ausschliessliche Folge eines einzelnen Bauelementes ist, sondern durch die Gestaltung, Linienführung und das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt wird. Dabei kann zwar die Gestaltung eines Elementes dominieren und so hervorstechen, dass es prägend wirkt. Aber der Vergleich einzelner Elemente ist nicht entscheidend (vgl. BGE 113 II 190 E. I.2b S. 198). Nicht entscheidend ist jedenfalls, dass einzelne Elemente vorbekannt sind.“

„2.8.1. Die Vorinstanz hat den Gebrauchszweck, in dessen Rahmen vorbekannte Formen der Gestaltung zu berücksichtigen sind, zutreffend als Barhocker definiert. Die praktische Anwendung besteht in der Möglichkeit, die an einer Bar servierten Getränke und Speisen sitzend zu konsumieren; die Sitzflächen müssen daher auf einer Höhe angebracht sein, die der sitzenden Person die bequeme Erreichbarkeit der Angebote auf der Bar gewährleistet. Da Bars regelmässig für Konsumationen durch stehende Personen eingerichtet sind, sind sie etwa eine Treppenstufe höher als die üblichen Tische; entsprechend müssen die Sitzflächen um etwa eine Treppenstufe höher liegen als diejenigen für die Konsumation an Tischen. Um die Sitzfläche zu erreichen, muss eine Aufstiegsmöglichkeit bestehen. Der Gebrauchsgegenstand Barhocker ist daher so konzipiert, dass eine Sitzfläche auf Trägern in einer Höhe angebracht ist, die durch einen Aufstieg in Höhe einer Stufe erreicht werden kann; dabei hat sich herausgebildet, die Aufstiegsmöglichkeit durch eine horizontale Leiste ausserhalb oder innerhalb der Träger zu gewährleisten: diese dient gleichzeitig der Stabilisierung der Träger und erlaubt ausserdem der sitzenden Person, die Füsse darauf zu stellen.

2.8.2. Die Elemente, welche einen Barhocker seiner Funktion nach charakterisieren, bestehen somit aus Trägern, welche eine Sitzgelegenheit in Höhe von 60-80 cm tragen und um die auf einer Höhe von ca. 20 cm ab Boden eine horizontale Leiste angebracht ist. Der Spielraum für die Gestaltung von Hockern, welche diese Elemente aufweisen, ist nicht sehr eingeschränkt, wie schon die im angefochtenen Urteil als vorbekannt angeführten Formen zeigen (vgl. vorn B.b). Die Träger müssen nicht – in unterschiedlichem Winkel – abgeschrägt sein, sondern können auch völlig senkrecht ausgestaltet sein (in diesem Fall aus Gründen der Stabilität wohl am äusseren Rand der Sitzfläche). Die Sitzfläche ihrerseits kann unterschiedlich geformt sein (z.B. Rechtecke, runde oder ovale Formen, mit oder ohne Lehne). Die Leisten können eckig oder rund, innerhalb oder ausserhalb der Träger montiert sein. Ausserdem kann Materialwahl oder Farbgebung den Gesamteindruck der Gestaltung eines Barhockers wesentlich verändern.“

 

Fazit des Bundesgerichts:

 

„2.8.5. Durch die „minimalistische“ Ausgestaltung der für einen Barhocker notwendigen Elemente und ihre aufeinander abgestimmte Proportionierung erweckt der HfG-Barhocker einen Gesamteindruck, der ihn als solchen individualisiert und von den vorbekannten Modellen deutlich abhebt. Der urheberrechtliche Schutz kann diesem Werk angewandter Kunst daher nicht versagt werden. (…)“

 

Quellen:

BGH zum Umfang des urheberrechtlichen Zitatrechts der Presse

BGH zum Umfang des urheberrechtlichen Zitatrechts der Presse

Pressemitteilung Nr. 124/2017 des Bundesgerichtshofs vom 27.07.2017

Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Fragen zum Umfang des urheberrechtlichen Zitatrechts der Presse vor

Beschluss vom 27. Juli 2017 – I ZR 228/15 – Reformistischer Aufbruch

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Abwägung zwischen dem Urheberrecht und den Grundrechten auf Informations- und Pressefreiheit sowie zum urheberrechtliche Zitatrecht der Presse und zur Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse vorgelegt.

Der Kläger ist seit dem Jahr 1994 Mitglied des Bundestags. Er ist Verfasser eines Manuskripts, in dem er sich gegen die radikale Forderung einer vollständigen Abschaffung des Sexualstrafrechts wandte, aber für eine teilweise Entkriminalisierung gewaltfreier sexueller Handlungen Erwachsener mit Kindern eintrat. Der Text erschien im Jahr 1988 als Buchbeitrag. Im Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber des Buchs, dieser habe ohne seine Zustimmung Änderungen bei den Überschriften vorgenommen, und forderte ihn auf, dies bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen. In den Folgejahren erklärte der Kläger auf kritische Resonanzen, der Herausgeber habe die zentrale Aussage seines Beitrags eigenmächtig wegredigiert und ihn dadurch im Sinn verfälscht.

Im Jahr 2013 wurde in einem Archiv das Originalmanuskript des Klägers aufgefunden und ihm wenige Tage vor der Bundestagswahl zur Verfügung gestellt. Der Kläger übermittelte das Manuskript an mehrere Zeitungsredaktionen als Beleg dafür, dass es seinerzeit für den Buchbeitrag verändert worden sei. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er nicht zu. Er stellte allerdings auf seiner Internetseite das Manuskript und den Buchbeitrag mit dem Hinweis ein, er distanziere sich von dem Beitrag. Mit einer Verlinkung seiner Internetseite durch die Presse war er einverstanden.

Vor der Bundestagswahl veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetportal einen Pressebericht, in dem die Autorin die Ansicht vertrat, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Die Originaldokumente belegten, dass das Manuskript nahezu identisch mit dem Buchbeitrag und die zentrale Aussage des Klägers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Die Internetnutzer konnten das Manuskript und den Buchbeitrag über einen elektronischen Verweis (Link) herunterladen. Die Internetseite des Klägers war nicht verlinkt.

Der Kläger sieht in der Veröffentlichung der Texte eine Verletzung seines Urheberrechts. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Texte des Klägers ohne seine Zustimmung sei auch unter Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG*) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG**) gerechtfertigt. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt.

Zum einen sind im Streitfall die Fragen entscheidungserheblich, die der Senat bereits in der Sache „Afghanistan Papiere“ zum Gegenstand eines Vorlagebeschlusses gemacht hat (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 – I ZR 139/15, vgl. Pressemitteilung Nr. 87/2017 vom 1. Juni 2017). Darüber hinaus umfasst der Vorlagebeschluss Fragen zu den Voraussetzungen der Schutzschranken der Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts.

So hat der Bundesgerichtshof dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internetportal eines Presseunternehmens bereits deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG*** anzusehen ist, weil es dem Presseunternehmen möglich und zumutbar war, vor der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke des Urhebers seine Zustimmung einzuholen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshof stellt sich im Streitfall weiter die Frage, ob es an einer Veröffentlichung zum Zwecke des Zitats gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG**** fehlt, wenn zitierte Textwerke oder Teile davon nicht – beispielsweise durch Einrückungen oder Fußnoten – untrennbar in den neuen Text eingebunden werden, sondern im Internet im Wege der Verlinkung als selbständig abrufbare PDF-Dateien öffentlich zugänglich gemacht und unabhängig von der Berichterstattung der Beklagten wahrnehmbar werden.

Der Bundesgerichtshof hat dem EuGH ferner die Frage vorgelegt, wann Werke im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemacht wurden und ob darauf abzustellen ist, dass die Werke in ihrer konkreten Gestalt bereits zuvor mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht waren. Das ist vorliegend fraglich, weil der Buchbeitrag des Klägers im Sammelband in einer veränderten Fassung erschienen und das Manuskript des Klägers auf seiner Internetseite mit den Distanzierungsvermerken veröffentlicht ist.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Urteil vom 17. Juni 2014 – 15 O 546/13

Kammergericht Berlin – Urteil vom 7. Oktober 2015 – 24 U 124/14

*§ 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

**§ 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. […]

***Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten können für die Nutzung von Werken in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird.

***Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten können für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk betreffen, das der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

Quellen: