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DS-GVO und ihre Auswirkungen auf die Schweiz

DS-GVO und ihre Auswirkungen auf die Schweiz

INTERNETRECHT - DATENSCHUTZRECHT - DS-GVO

Arbeitspapier

Datenschutz-Grundverordnung und die Schweiz - Ausgewählte Aspekte der Auswirkungen der DS-GVO auf Unternehmen in der Schweiz.

Inhalt: Wer ist von der Datenschutz-Grundverordnung in der Schweiz betroffen? Was gilt bei einer Auslagerung der Datenspeicherung auf externe IT-Dienstleister? Besteht eine Pflicht für Schweizer Unternehmen zur Bestellung eines Vertreters in der EU?

Arbeitspapier: hier abrufbar (pdf)

Autor: Rechtsanwalt Bertram Buchzik


Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche

Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche

Wird ein Ferienanspruch nicht in dem Dienstjahr, in dem er entstanden ist, vom Arbeitnehmer bezogen, besteht Einigkeit darüber, dass diese Ansprüche nicht verwirken, sondern der Verjährung unterliegen (BGE 130 III 25).

Die Verjährungsfrist von Ferienansprüchen beträgt 5 Jahre (Art. 128 Ziffer 3 OR; BBl 1982 III 201 (237); BGE 136 III 94) und beginnt nach Art. 130 Abs. 1 OR mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Fälligkeit tritt grundsätzlich am letzten Tag ein, an dem die restlichen nicht bezogenen Ferientage noch während dem laufenden Dienstjahr bezogen werden könnten (BGE 136 III 94). Der pro Dienstjahr entstehende und fällig werdende Ferienanspruch verjährt damit für jedes Dienstjahr gesondert (vgl. auch BRÜHWILER, JÜRG, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar, 3. Aufl., Art. 329c N 1). Gleiches gilt meines Erachtens, wenn statt des Dienstjahres (gesetzlicher Regelfall) arbeitsvertraglich das Kalenderjahr oder das Geschäftsjahr als Ferien-Referenzperiode vereinbart wird.

Häufig anzutreffende Regelungen in Arbeitsverträgen, wonach Ferien bis zu einem bestimmten Monat im nächsten Kalenderjahr bezogen werden müssten, andernfalls sie verfallen würden, sind nach Art. 341 Abs. 2 OR bzw. Art. 129 OR nichtig.

Wenn ein vom Arbeitnehmer nicht bezogenes Ferienguthaben (Restanspruch) am Ende eines Dienstjahres vom Arbeitgeber mitgeteilt wird oder auf das neue Dienstjahr übertragen wird – z.B. wenn der Ferienguthabensaldo jeweils auf den Lohnabrechnungen oder im Arbeitszeiterfassungssystem festgehalten wird – wird vereinzelt in Lehre und Rechtsprechung eine Neuerung einer alten Schuld gestützt auf Art. 117 Abs. 2 OR analog angenommen, was die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnen lässt (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E.3.4; OGer ZG in JAR 1983 S. 145; KGer ZG JAR 1983 S. 145, STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 329c N5; BRÜHWILER a.a.O. Art. 329c N 1). Erforderlich ist jedoch eine ausdrückliche Bestätigung des Feriensaldos (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7. Aufl. Art. 329c N5).

Auf die Ordnung zur Anrechnung von Schulden (Tilgung) – hier die Ferienschuld des Arbeitgebers – finden die Art. 86 und 87 OR Anwendung (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E. 3.4, so auch KantGer/FR v. 23.09.2015, 102 2015 106 E. 2.a, das von einer analogen Anwendung bezüglich aufgelaufenem Ferienguthaben ausgeht). Die gesetzliche Regelung sieht im Wesentlichen folgende Schuldentilgungsordnung vor:

1. Erklärung des Schuldners (hier des Arbeitgebers) bei Zahlung (d.h. Feriengewährung), welche Schuld er tilgen will (Art. 86 Abs. 1 OR);
2. mangelt es an einer Erklärung im Sinne von Ziffer 1., so wird der Ferienbezug an diejenige Schuld angerechnet, die der Arbeitnehmer bezeichnet (Art. 86 Abs. 2 OR);
3. liegt weder eine Erklärung nach Ziffer 1. noch nach Ziffer 2. vor, so ist der Ferienbezug auf die früher verfallen Schuld anzurechnen (Art. 87 Abs. 1 OR).

Wenn also, was in der Praxis der wohl häufigste Fall sein wird, weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erklärt wird, welcher
Ferienanspruch aus welchem Dienstjahr auf die zu beziehenden Ferien angerechnet werden soll, so wird nach Art. 87 Abs. 1 OR automatisch jeweils die frühesten fälligen Ferienansprüche angerechnet. Werden so jeweils die am frühestens verjährenden Ferienansprüche getilgt,
läuft ein Arbeitnehmer weniger Gefahr in die Verjährungsfalle zu laufen.

Zu Gunsten eines Arbeitgebers könnte meines Erachtens arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass beim Bezug von
Ferien zunächst der im jeweils selben Dienstjahr entstandene Ferienanspruch angerechnet wird und zweitrangig allfällig bestehende Ferienansprüche, die in einem vorherigen Dienstjahr entstanden und soweit diese nicht verjährt sind.

Wo klagen? Gerichtsstand bei Internet-Vertragsstreitigkeit

Welches Gericht ist zuständig, wenn ein deutscher Verbraucher eine Urlaubsreise auf einer ausländischen Website bucht und diese mangelhaft ist? Kann er dann vor einem deutschen Gericht klagen oder muss er das in dem Land, aus dem die Website stammt?

Was ist, wenn ein ausländischer Hotelgast seine Übernachtung nicht bezahlt, diese aber zuvor im Internet gebucht hatte? Muss das Hotel den Gast dann in dessen Wohnsitzstaat verklagen?

Oft handelt es ich bei den Betreibern von Websites um Unternehmen mit Sitz im Ausland. Da stellt sich die Frage, welchem Recht deren Angebote unterliegen und vor allem in welchem Land sie zu belangen und verklagen sind. Denn es ist meist mit erhöhtem Aufwand verbunden in einem anderen Land Klage zu erheben, da z.B. eine andere Amtssprache gilt und ein ausländischer Anwalt beauftragt werden muss.

Welcher Gerichtsstand gilt grundsätzlich im Internet?
Bei Internetbuchungen oder –einkäufen ist der Gerichtsstand für Klagen nicht automatisch im Land des Wohnsitzes. Es kommt auf den Willen des Unternehmers an, auch im jeweiligen Land tätig zu sein. So der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Der EuGH präzisierte damit die unionsrechtlichen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit für Verbraucherverträge in Fällen, in denen Dienstleistungen im Internet angeboten werden.

Geltende Rechtslage im EU-Recht
Nach der Verordnung der Europäischen Union über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen sind Klagen gegen Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, in der Regel vor den Gerichten dieses Staates zu erheben.

Des Weiteren kann die Klage am Erfüllungsort erhoben werden, d.h. beim Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

Liegt hingegen ein Verbrauchervertrag vor, gelten besondere Regeln, die den Verbraucher schützen sollen: Hat der Unternehmer seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat „ausgerichtet“, in dem der Verbraucher wohnt, kann der Verbraucher eine etwaige Klage beim Gericht des Mitgliedstaats erheben, in dem er selbst wohnt, und umgekehrt auch nur in diesem Staat verklagt werden.

«Ausrichtung» der Tätigkeit auf andere Staaten
Fraglich ist jedoch, wann ein Internetunternehmer seine Tätigkeit auf ein bestimmtes Land „ausrichtet“? Oder ob bereits darin, dass ein in einem Mitgliedstaat der EU niedergelassenes Unternehmen seine Dienstleistungen über das Internet anbietet, eine „Ausrichtung“ seiner Tätigkeit auch auf andere Mitgliedstaaten liegt? Die Beantwortung dieser Fragen ist deshalb wichtig, da im Fall eines Rechtsstreits dann die günstigeren Zuständigkeitsregeln der Verordnung Anwendung fänden, die dem Schutz der Verbraucher anderer Mitgliedstaaten dienen.

Dazu hat der Gerichtshof nun in zwei Fällen Stellung bezogen und ein Urteil gefällt. In den beiden Rechtsstreitigkeiten geht es um die Frage, ob ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit im Sinne der Verordnung auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausrichtet“, wenn er zur Kommunikation mit den Verbrauchern eine Website nutzt.

Wille des Unternehmers ist massgeblich
Der Gerichtshof stellte klar, dass durch die bloße gewerbliche Nutzung einer Website durch einen Unternehmer als solche noch nicht bedeute, dass er seine Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten „ausrichtet“. Vielmehr sei entscheidend, dass der Unternehmer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten herzustellen.

Anhaltspunkte für internationale „Ausrichtung“
Anhaltspunkte für den Willen des Unternehmers, auch im jeweiligen Land tätig zu sein, können laut EuGH folgende sein:

  • Alle offenkundigen Ausdrucksformen des Willens, Verbraucher anderer Mitgliedstaaten als Kunden zu gewinnen, beispielsweise das Anbieten von Dienstleistungen oder Güter in mehreren namentlich benannten Mitgliedstaaten.
  • Ausgaben des Unternehmers für Internetreferenzierungsdienste von Suchmaschinenbetreibern, um in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Verbrauchern den Zugang zu seiner Website zu erleichtern.
  • Der internationale Charakter der fraglichen Tätigkeit, wie bestimmter touristischer Tätigkeiten.
  • Die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl.
  • Die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als dem des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, z. B. „.de“, oder die Verwendung neutraler Domänennamen oberster Stufe wie „.com“ oder „.eu“
  • Die Wiedergabe von Anfahrtsbeschreibungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung.
  • Die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, insbesondere durch die Wiedergabe von Kundenbewertungen.
  • Die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der im Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise geltenden.

Keine Anhaltspunkte seien jedoch die Angabe der elektronischen oder geografischen Adresse des Gewerbetreibenden auf der Website oder die seiner Telefonnummer ohne internationale Vorwahl, denn solche Angaben liessen nicht erkennen, ob der Gewerbetreibende seine Tätigkeit auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten orientiere.

Fazit:
Entscheidend für den Gerichtsstand im Internet ist die „Ausrichtung“ der gewerblichen Tätigkeit. Dabei kommt es auf den Willen des Unternehmers an, im jeweiligen Land tätig zu sein. Anhaltspunkt für den Willen ist, ob der Website und der gesamten Tätigkeit des Unternehmers entnommen werden kann, dass diese ihre Geschäfte auch in anderen Ländern tätigen wollten, bzw. dass sie dazu bereit waren. Der EuGH hat damit ein weitreichendes Urteil für den Online-Handel gefällt. Er präzisierte die unionsrechtlichen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit für Verbraucherverträge im Internet.

Quellen: Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 118/10 v. 7. 12. 2010; Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-585/08 und C-144/09 v. 7. 12. 2010;

Rechtsnormen: Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).