BGH zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen

BGH zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen

Pressemitteilung Nr. 74/2017 des Bundesgerichtshofs

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Speicherung von dynamischen IP-Adressen

Urteil vom 16. Mai 2017 – VI ZR 135/13

Der Kläger verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Unterlassung der Speicherung von dynamischen IP-Adressen. Dies sind Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei einer Vielzahl allgemein zugänglicher Internetportale des Bundes werden alle Zugriffe in Protokolldateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit verschiedene solcher Internetseiten auf.

Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Kläger den Unterlassungsanspruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungsvorgangs betrifft und der Kläger während eines Nutzungsvorgangs seine Personalien angibt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof (vgl. Pressemitteilung Nr. 152/2014) hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 135/13, VersR 2015, 370 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nachdem der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-582/14, NJW 2016, 3579 die Fragen beantwortet hat, hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr mit Urteil vom 16. Mai 2017 über die Revisionen der Parteien entschieden. Diese hatten Erfolg und führten zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf der Grundlage des EuGH-Urteils ist das Tatbestandsmerkmal „personenbezogene Daten“ des § 12 Abs. 1 und 2 TMG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BDSG richtlinienkonform auszulegen: Eine dynamische IP-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim Zugriff einer Person auf eine Internetseite, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, gespeichert wird, stellt für den Anbieter ein (geschütztes) personenbezogenes Datum dar.

Als personenbezogenes Datum darf die IP-Adresse nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 TMG gespeichert werden. Diese Vorschrift ist richtlinienkonform entsprechend Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 EG – in der Auslegung durch den EuGH – dahin anzuwenden, dass ein Anbieter von Online-Mediendiensten personenbezogene Daten eines Nutzers dieser Dienste ohne dessen Einwilligung auch über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus dann erheben und verwenden darf, soweit ihre Erhebung und ihre Verwendung erforderlich sind, um die generelle Funktionsfähigkeit der Dienste zu gewährleisten. Dabei bedarf es allerdings einer Abwägung mit dem Interesse und den Grundrechten und -freiheiten der Nutzer.

Diese Abwägung konnte im Streitfall auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend vorgenommen werden. Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Speicherung der IP-Adressen des Klägers über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus erforderlich ist, um die (generelle) Funktionsfähigkeit der jeweils in Anspruch genommenen Dienste zu gewährleisten. Die Beklagte verzichtet nach ihren eigenen Angaben bei einer Vielzahl der von ihr betriebenen Portale mangels eines „Angriffsdrucks“ darauf, die jeweiligen IP-Adressen der Nutzer zu speichern. Demgegenüber fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wie hoch das Gefahrenpotential bei den übrigen Online-Mediendiensten des Bundes ist, welche der Kläger in Anspruch nehmen will. Erst wenn entsprechende Feststellungen hierzu getroffen sind, wird das Berufungsgericht die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit ihrer Online-Mediendienste und dem Interesse oder den Grundrechten und -freiheiten des Klägers vorzunehmen haben. Dabei werden auch die Gesichtspunkte der Generalprävention und der Strafverfolgung gebührend zu berücksichtigen sein.

Vorinstanzen:

AG Tiergarten – Urteil vom 13. August 2008 – 2 C 6/08

LG Berlin – Urteil vom 31. Januar 2013 – 57 S 87/08

Karlsruhe, den 16. Mai 2017

* § 12 Telemediengesetz – Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

(2) …

** § 15 Telemediengesetz – Nutzungsdaten

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen (Nutzungsdaten)…


BGH zur Mietwagen-App „UBER Black“

BGH zur Mietwagen-App „UBER Black“

Pressemitteilung Nr. 78/2017 des Bundesgerichtshofs vom 18.05.2017

Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Zulässigkeit der Mietwagen-App „UBER Black“ vor

Beschluss vom 18. Mai 2017 – I ZR 3/16 – Mietwagen-App

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mietwagen über die App „UBER Black“ dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, bot die Applikation „UBER Black“ für Smartphones an, über die Mietwagen mit Fahrer bestellt werden konnten. Dabei erhielt der Fahrer, dessen freies Mietfahrzeug sich zum Zeitpunkt des Auftrags am Nächsten zum Fahrgast befand, den Fahrauftrag unmittelbar vom Server der Beklagten. Zeitgleich benachrichtigte die Beklagte das Mietwagenunternehmen per E-Mail.

Der Kläger hält das Angebot der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rückkehrgebot für Mietwagen (§ 49 Absatz 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG)* für wettbewerbswidrig. Er hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Verwendung der beanstandeten Version der App „UBER Black“ verstößt gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Nach dieser Bestimmung dürfen mit Mietwagen nur Fahraufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sind. Dagegen können Fahrgäste den Fahrern von Taxen unmittelbar Fahraufträge erteilen. Die Bedingung, dass Fahraufträge für Mietwagen zunächst am Betriebssitz des Unternehmers eingehen müssen, ist nicht erfüllt, wenn der Fahrer unmittelbar den Fahrauftrag erhält, auch wenn das Unternehmen, das den Mietwagen betreibt, zeitgleich unterrichtet wird. Dabei ist es unerheblich, ob die unmittelbare Auftragserteilung an den Fahrer durch die Fahrgäste selbst oder – wie im Streitfall – über die Beklagte erfolgt.

In dieser Auslegung ist § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG gegenüber den Mietwagenunternehmen und der Beklagten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung. Sie ist zum Schutz des Taxiverkehrs gerechtfertigt, für den feste Beförderungstarife und Kontrahierungszwang gelten.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die eigene Tätigkeit der Beklagten dem Personenbeförderungsgesetz unterfällt. Für die Wettbewerbsverstöße der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer und der Fahrer haftet die Beklagte als Teilnehmerin.

Fraglich ist jedoch, ob unionsrechtliche Bestimmungen einem Verbot von „UBER Black“ entgegenstehen. Bedenken gegen ein Verbot könnten sich allein aus den Vorschriften der Union zur Dienstleistungsfreiheit ergeben. Diese Bestimmungen finden aber keine Anwendung auf Verkehrsdienstleistungen. Zu der für die gesamte Union einheitlich zu beantwortenden Frage, ob die Vermittlungstätigkeit der Beklagten in ihrer konkreten Ausgestaltung eine Verkehrsdienstleistung darstellt, besteht noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Da sich diese Frage nicht ohne weiteres beantworten lässt, hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob der Dienst der Beklagten eine Verkehrsdienstleistung ist.

Sollte der Gerichtshof der Europäischen Union eine Verkehrsdienstleistung verneinen, stellt sich im vorliegenden Verfahren die weitere Frage, ob es aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt unter den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen gerechtfertigt sein kann, eine App der im Streitfall beanstandeten Art zu untersagen, um die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten.

Beim Gerichtshof der Europäischen Union ist bereits ein Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgerichts Barcelona (C-434/15) anhängig, das den Dienst UberPop betrifft, bei dem Privatpersonen in ihren eigenen Fahrzeugen Fahrgäste ohne behördliche Genehmigung befördern. In diesem Verfahren hat der Generalanwalt die Schlussanträge am 11. Mai 2017 vorgelegt. Im Hinblick auf Unterschiede im Sachverhalt in beiden Verfahren ist jedoch nicht absehbar, ob die Antworten auf die im Streitfall aufgeworfenen Fragen der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Vorlageverfahren aus Barcelona zu entnehmen sein werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen gestellt.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Urteil vom 9. Februar 2015 – 101 O 125/14

KG – Urteil vom 11. Dezember 2015 – 5 U 31/15

Karlsruhe, den 18. Mai 2017

* § 49 Absatz 4 PBefG lautet:

Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen […] sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […] Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. […]


Quelle:

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung eines Sicherheitswärters gerechtfertigt

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung eines Sicherheitswärters gerechtfertigt

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 1. Dezember 2016 (Aktenzeichen: 4A_521/2016) entschieden, dass die einem Sicherheitswärter gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt war, nachdem der Arbeitnehmer während drei Tagen krank und damit arbeitsunfähig war aber die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzen während drei Tagen nicht gemeldet hatte bzw. die Meldung (Vorlage eines ärztlichen Attests) erst am Tag nach Aussprache der fristlosen Kündigung beim Arbeitgeber eingetroffen ist.

Sachverhalt:
Ein Gleis-Sicherheitswärter (Arbeitnehmer, Kläger) – eine Sicherheitsperson, die bei Gleisarbeiten das Arbeitsteam vor herannahenden Zügen warnt – war vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2014 befristet im Rahmen eines Temporärarbeitsverhältnisses (Leih- Arbeitsverhältnis) bei der Beklagten/Beschwerdegnerin (Arbeitgeberin) angestellt und an einen Drittbetrieb (Einsatzbetrieb) verliehen. Ab Montag, 7. Juli 2014, blieb der Arbeitnehmer der Arbeit im Einsatzbetrieb fern. Die Arbeitgeberin versuchte an den darauf folgenden Tagen (8. und 9. Juli 2014) den Arbeitnehmer telefonisch – sowohl auf dessen Geschäfts- als auch auf dessen Privathandy – insgesamt 13 Mal zu erreichen. Die Kontaktaufnahmen der Arbeitgeberin blieben erfolglos. Mit Schreiben vom Mittwoch, 9. Juli 2014, sprach die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Ein Arztzeugnis des Arbeitnehmers ging am Donnerstag, 10. Juli 2014, bei der Arbeitgeberin ein.

Zur Begründung führt das Bundesgericht aus (Erwägungen):
„2.2.1. Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Abs. 3).

2.2.2. Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das
Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 4.2, zur Publ. vorgesehen; BGE 130 III 28 E. 4.1 S. 31, 213 E. 3.1 S. 220 f.; 129 III 380 E. 2.1; je mit Hinweisen). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 4.2, zur Publ. vorgesehen; BGE 127 III 153 E. 1a S. 155; 116 II 145 E. 6a S. 150). (…)

2.2.3. Nach Art. 337 Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag jederzeit fristlos auflösen. Folglich kann der Arbeitgeber die fristlose Entlassung auch im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers aussprechen, trotz zeitlicher Kündigungsbeschränkung nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR für die ordentliche Kündigung (Urteile 8C_417/2011 vom 3. September 2012 E. 4.3; 4C.247/2006 vom 27. Oktober 2006 E. 2.1). Nach Art. 337 Abs. 3 OR darf das Gericht aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund für die fristlose Entlassung anerkennen.

(…)

3.4. Da die unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung nach Art. 337 Abs. 3 OR keinen Grund für die fristlose Entlassung darstellen kann (dazu Erwägung 2.2.3), kommt als Grund für die fristlose Entlassung einzig in Frage, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin bzw. den Einsatzbetrieb nicht umgehend über seine Abwesenheit am Arbeitsplatz orientierte. Ob das Beurteilungsgespräch vom 6. Januar 2014 durch den damaligen Vorgesetzten des Beschwerdeführers im Einsatzbetrieb zusammen mit dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Beurteilungsblatt eine Verwarnung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darstellen würde (dazu Urteil 4A_188/2014 vom 8. Oktober 2014 E. 2.3), braucht nicht beurteilt zu werden, wenn die Verfehlung des Beschwerdeführers als besonderes schwer zu qualifizieren ist, sodass er auch ohne vorgängige Verwarnung fristlos entlassen werden kann.

3.5. Die Vorinstanz stützte sich für die dem Beschwerdeführer vorgeworfene schwerwiegende Verfehlung einzig auf einen Verstoss gegen das Mitarbeiterhandbuch der Beschwerdegegnerin. Diesbezüglich ist zu ergänzen, dass sich bereits aus der Treuepflicht nach Art. 321a Abs. 1 OR ergibt, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über nicht vorhersehbare Absenzen, wie beispielsweise eine Krankheit, umgehend zu informieren hat (vgl. Urteile 4C.359/2006 vom 12. Januar 2007 E. 6; 4C.346/2004 vom 15. Februar 2005 E. 5.1). (…)“

Fazit:
Laut Bundesgericht sind Arbeitnehmer bereits aus der allgemeinen gesetzlichen Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR) verpflichtet, dem Arbeitgeber umgehend eine unvorhergesehene Absenz (z.B. wegen eines Unfalls oder einer Krankeit) zu melden. Arbeitnehmer, die dies nicht umgehend melden, laufen Gefahr, fristlos gekündigt zu werden. Eine Absenz-Meldung, die erst nach drei Tagen erfolgt, ist in jedem Fall nicht mehr rechtzeitig, so das Gericht. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer bereits zur Absenz-Meldung nicht mehr in der Lage wäre, z.B. wenn der Arbeitnehmer im Koma liegt. Eine Absenz-Meldung des Arbeitnehmers sollte beweissicher erfolgen, also z.B. per SMS, Whatsapp, E-Mail, Fax. Die Mitteilung per Brief dauert in der Regel bereits zu lange. Hiervon unabhängig ist die Frage, ob und wann dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest einzureichen ist. Dies hängt insbesondere davon ab, was arbeitsvertraglich vereinbart wurde. Ein ärztliches Attest kann dann aber sehr wohl – innert der arbeitvertraglich vereinbarten Frist – per Post dem Arbeitgeber gesandt werden.

Von Arbeitgebern ist zu beachten, dass mit der Aussprache einer fristlosen Kündigung nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes nicht sehr lange zugewartet werden kann, andernfalls das Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt. Im Einzelfall kann bereits ein Zuwarten von mehr als drei Arbeitstagen zur Verwirkung führen.

Quellen:

Art. 321a Abs 1 OR lautet:
1 Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren.

Art. 337 OR lautet:
1 Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt.1

2 Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

3 Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen, darf aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund anerkennen.

BGH: Schadensersatz bei Ausfall des Internetanschlusses

BGH: Schadensersatz bei Ausfall des Internetanschlusses

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem heute ergangenen Urteil (Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12) über einen Anspruch auf Schadensersatz gegen einen Internetdiensteanbieter aufgrund Ausfall eines Internetanschlusses zu befinden.

Zum Sachverhalt:
Der Kläger, ein Kunde eines Internetproviders, konnte aufgrund eines Fehlers bei der Tarifumstellung bei dem beklagten Telekommunikationsunternehmen während zwei Monaten seinen DSL-Internetanschluss nicht nutzen. Diesen Anschluss nutzte der Kläger für die Telefon- und Telefaxkommunikation mittels Voice und Fax over IP (VoIP). Der Kläger verlangte aufgrund des Ausfalls die Mehrkosten eines Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons. Darüber hinaus machte er Schadensersatz für den Wegfall der Nutzungsmöglichkeit seines Internetanschlusses für die Festnetztelefonie und für den Telefax- und Internetverkehr geltend.

Zur Rechtsprechung:
In der bislang zu diesem Urteil einzig veröffentlichten Pressemitteilung vom 24.01.2013 äussert sich der BGH zur Frage des Ersatzes für den Ausfall von Nutzungsmöglichkeiten folgendermassen:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.“

Ein solche signifikante Auswirkung auf die Lebenshaltung lehnte der BGH für Festnetztelefonie ab, soweit dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht, wofür ihm, wie im vorliegenden Fall gegeben, der anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Ebenfalls lehnte der BGH eine solche Auswirkung in Bezug auf die Ausfall der Telefaxnutzung für den (in casu) privaten Bereich ab, da hierfür Alternativen wie die Versendung mittels physischer oder elektronischer Post (E-Mail) zur Verfügung stünden.

Für darüber hinausgehende Nutzungsmöglichkeiten des Internets etwa zu Zwecken der Unterhaltung oder der Information hat der BGH jedoch einen Schadensersatzanpruch dem Grunde nach zuerkannt. Hierzu führt der BGH in seiner Pressemitteilung aus:

„Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Groβteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“

Das vollständige Urteil steht noch aus.


Quelle:
Pressemitteilung Nr. 14/2013 des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2013 zum Urteil vom 24.01.2013 (Az. III ZR 98/12)

BGH: Filesharing-Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder

BGH: Filesharing-Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat heute (15.11.2012) in einem wegweisenden Urteil (sog. „Morpheus“-Entscheidung) entschieden, dass Eltern nicht für Urheberrechtsverletzungen aus illegalem Musiktausch (Up-/Download) sog. Filesharing ihrer minderjährigen Kinder haften, wenn sie ihr Kind (in casu: ein 13-Jähriger) über ein Verbot rechtsverletzender Nutzung von Filesharingplattformen (Internettauschbörsen) vorher belehrt haben. Jedoch bestehe keine grundsätzliche Pflicht der Eltern zur Überwachung und ggf. Sperrung für die Nutzung des Internets durch ihre minderjährigen Kinder. Eine solche Verpflichtung der Eltern bestehe erst, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses hätten.

Dieses Urteil betrifft die deutsche Rechtslage zur Teilnehmer- bzw. Störer-Haftung der Eltern für Filesharing-Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder. M.E. kann diese Haftungskonstellation auch auf ein Arbeitsverhältnis übertragen werden, bei dem ein Arbeitnehmer über den Internetanschluss des Arbeitgebers entgegen klarer Weisung/Reglement Immaterialgüterrechtsverletzungen begeht, etwa in Form des rechtswidrigen Filesharings.

Für die Schweiz kann diese Entscheidung nicht ohne Weiteres übernommen werden. Das schriftliche Urteil des BGH wurde noch nicht publiziert.

Quelle und Vorinstanzen:
Pressemitteilung des BGH vom 15.11.2012 zum Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 („Morpheus“)
Urteil des Landgerichts (LG) Köln vom 30.03.2011, Az 28 O 716/10
Urteil des Oberlandesgericht Köln (OLG) vom 23.03.2012 (Berufungsinstanz), Az. 6 U 67/11

Weitere Urteile zu dieser Thematik:

OLG Köln zur Filesharing-Haftung des W-LAN-Anschlussinhabers für Ehepartner
In diesem Zusammenhang hat bereits das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) entschieden, dass ein W-LAN-Anschlussinhaber grundsätzlich nicht für durch seinen Ehepartner begangene Urheberrechtsverletzungen im Internet hafte, wenn der Anschlussinhaber keine Kenntnis über die illegalen Aktivitäten seines Ehepartners habe. Im Übrigen bestehe keine Aufsichtspflicht unter Ehepartnern. Zu diesem Urteil hat der Senat die Revision zum BGH zugelassen.

Quelle:
Pressemitteilung des OLG Köln vom 21.05.2012 zum Urteil vom 16.05.2012 (6 U 239/11)

BGH zur Haftung bei Urheberrechtsverletzungen Dritter über W-LAN-Netz
Ebenfalls in diesem Zusammenhang steht das sog. „Sommer unseres Lebens“-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08), wonach ein W-LAN-Anschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen Dritter, die über das W-LAN-Netz des Anschlussinhabers begangen werden, nur auf Unterlassung hafte, wenn er sein W-LAN-Netz nicht ausreichend mit einem Passwort schützt. Der Anschlussinhaber ist jedoch regelmässig nicht auf Schadensersatz haftbar. Eine diesbezügliche Haftung als Täters komme jedoch gemäss des BGH in dieser Fallkonstellation nicht in Betracht, da der Anschlussinhaber regelmässig die Urheberrechtsverletzung im Internet (in casu: Zugänglichmachen eines Musiktitels) nicht begangen hat. Eine Teilnehmerhaftung in Form des Gehilfenschaft des W-LAN-Inhabers an der rechtswidrigen Haupttat des Dritten würde Vorsatz des W-LAN-Inhabers erfordern.

Quelle:
Urteil des BGH vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08)
Pressemitteilung des BGH vom 12.05.2012 zum Urteil vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08)

Auch diese beiden Urteil sind nach deutschem Recht ergangen.

BGer 4A_210/2012: Zuständigkeit des Handelsgerichts auch für Konsumentenklagen

BGer 4A_210/2012: Zuständigkeit des Handelsgerichts auch für Konsumentenklagen

Das Bundesgericht hat unter Bestätigung des Beschlusses des Handelsgerichts Zürich vom 30.03.2012 (Vorinstanz) entschieden, dass das Handelsgericht auch für Klagen eines Konsumenten gegen eine im Handelsregister eingetragene Einzelfirma wegen Forderungen aus deren geschäftlicher Tätigkeit sachlich im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig ist.

Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„Art. 6 Handelsgericht

1 Die Kantone können ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten
zuständig ist (Handelsgericht).

2 Eine Streitigkeit gilt als handelsrechtlich, wenn:

a. die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist;
b. gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht; und
c. die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind.

3 Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.

4 Die Kantone können das Handelsgericht ausserdem zuständig erklären für:

a. Streitigkeiten nach Artikel 5 Absatz 1;
b. Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften.

5 Das Handelsgericht ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig.“

Der Rechtsstreit entbrannte über die Frage, wie die Formulierung „[…] sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt […]“ gemäss Art. 6 Abs. 3 2. HS ZPO auszulegen ist, namentlich, ob Art. 6 Abs. 3 ZPO auch auf die Voraussetzung gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO verweist.

Hierzu führt das Bundesgericht folgendes aus:

„2.7 […] Zwar ist nach der Definition in Art. 6 Abs. 2 lit. c erforderlich, dass die Parteien, also sämtliche am Streit beteiligten Personen, als Unternehmen im Handelsregister eingetragen sind. Da aber Art. 6 Abs. 3 ZPO gerade von diesem Erfordernis eine Ausnahme macht und der klagenden Partei eine Wahlmöglichkeit für den Fall einräumt, dass nur die beklagte Partei (als Unternehmen) im Register eingetragen ist, kann die „handelsrechtliche Streitigkeit“, an welche die Zuständigkeit knüpft, in der Sache nicht wiederum unter Rückgriff auf eben dieses Erfordernis definiert und damit die Ausnahme im Ergebnis wegdiskutiert werden.“


Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 29.10.2012, 4A_210/2012 (zur amtl. Publikation vorgesehen)

BGer 4A_42/2011: Beweislast und Schätzung von Überstunden

BGer 4A_42/2011: Beweislast und Schätzung von Überstunden

Das Bundesgericht entschied unter Bestätigung ihrer ständigen Rechtsprechung (BGE 129 III 171), dass der Beweis über die Anordnung von Überstunden gleichgesetzt wird, wenn der Arbeitgeber von der Notwendigkeit, Überstunden zu leisten, Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben können. (E. 5.2)

Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Überstunden nicht gemeldet hat, ist bedeutungslos, sofern feststeht, dass der Arbeitgeber um die geleisteten Überstunden wusste oder hätte wissen müssen. (E. 5.2)

Sofern ein strickter Beweis über die Tatsache, dass durch den Arbeitnehmer Überstunden geleistet wurden, nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann durch eine analoge Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR der Nachweis erleichtert werden. (E. 6.)


Gesetzesbestimmungen: Art. 42 OR, Art. 321c Abs. 1 OR, Art. 321c Abs. 3 OR, Art. 361 OR
Stichworte: Arbeitsrecht, Überstunden, Pflicht zur Leistung von Überstunden, Schätzung von Überstunden, Meldung von Überstunden
Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 15.07.2011 (4A_42/2011)

BGer 4A_236/2012: Fristlose Entlassung einer Abteilungsleiterin gerechtfertigt

Befolgt eine Abteilungsleiterin einer Bank allgemeine Anordnungen zur internen Kontrolle über einen Zeitraum von drei Jahren nicht (Art. 321d Abs. 2 OR), kann dies einen wichtigen Grund gemäss Art. 337 OR darstellen und den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung berechtigen (E. 2.2 f.).

Eine fristlose Kündigung ist nach rund zwei Wochen seit Kenntnis der erheblichen Tatsachen noch rechtzeitig erklärt und damit Ausdruck der zerstörten Vertrauensbasis, wenn die Kenntnisnahme kurz vor wichtigen Feststagen wie Ostern erfolgt und aufgrunddessen die für die tatsächlichen und rechtlichen Abklärungen zuständigen Entscheidungsträger des Arbeitgebers teilweise abwesend sind und zudem die zu Kündigende ferienabwesend ist (E. 2.4 f.).


Gesetzesbestimmungen: Art. 337 OR, Art. 321d OR
Stichworte: Arbeitsrecht, Befolgung von allgemeinen Anordnungen, fristlose Entlassung, wichtiger Grund, sofortige (umgehende) Erklärung der fristlosen Kündigung, Überlegungsfrist, Verwirkung
Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 02.08.2012 (4A_236/2012)

Button-Lösung: Pflichten für Schweizer Shopbetreiber

Seit dem 01.08.2012 gilt die so genannte ‚Button-Lösung’ in Deutschland. Diese gilt jedoch auch für den Crossborder-E-Commerce, d.h. für schweizer Shopbetreiber, Internethändler und Dienstleister, die auch an Verbraucher (Konsumenten) nach Deutschland verkaufen bzw. ihre Geschäftstätigkeit eindeutig nach Deutschland ‚ausrichten‘. Die deutsche Buttonlösung verlangt deutlich mehr, als nur den Kaufen-Button neu zu beschriften.

Was ist die ‚Button-Lösung‘?
Die sog. ‚Button-Lösung’ ist ein deutsches Gesetz zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Konsumenten) vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und soll das Leben der Verbraucher vereinfachen und vor sog. ‚Abofallen’ im Internet schützen, bei denen auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, dass sie kostenpflichtigen sind. Die Regelung gilt nur im Bereich Fernabsatz, also im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern. Reine b2b-Verträge sind nicht betroffen.

Wo ist die ‚Button-Lösung‘ geregelt?
Die ‚Button-Lösung‘ ist unter dem Titel „Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehre“ in § 312g Abs. 2-4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„(2) Bei einem Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246 § 1 Absatz 1 Nummer 4 erster Halbsatz und Nummer 5, 7 und 8 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen. Diese Pflicht gilt nicht für Verträge über die in § 312b Absatz 1 Satz 2 genannten Finanzdienstleistungen.

(3) Der Unternehmer hat die Bestellsituation bei einem Vertrag nach Absatz 2 Satz 1 so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

(4) Ein Vertrag nach Absatz 2 Satz 1 kommt nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus Absatz 3 erfüllt.“

Zulässige und unzulässige Bezeichnungen bei der ‚Button-Lösung‘
Künftig muss bei kostenpflichtigen Onlineangeboten zwingend eine Schaltfläche mit der Aufschrift „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechend eindeutigen Formulierung vorgesehen sein. Zulässige Bezeichnungen sind auch: „Kaufen“, „kostenpflichtig bestellen“. Nicht zulässig sind bisher in Onlineshops oft verwendete Formulierungen wie: „Bestellen“, „Weiter“, „Bestellung abschließen“, „Anmelden“, „Los“. Der neue Bestell-Button muss dem Verbraucher sofort und unmissverständlich klarmachen, auf was er sich einlässt.

Weitere Informationspflichten
Weiter müssen Unternehmer bei Online-Bestellungen künftig Preis, Lieferkosten, Mindestlaufzeiten sowie wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung unmittelbar vor der Bestellung klar und verständlich anzeigen. Kosten dürfen nicht mehr im Kleingedruckten versteckt werden. Die Schaltfläche für die Bestellung muss unmissverständlich und gut lesbar auf die Zahlungspflicht hinweisen. Diese Neuregelung gilt für alle Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen auf Online-Plattformen im Internet – ob per Computer, Smartphone oder Tablet.

Rechtfolgen
Die Folgen bei mangelnder oder unzureichender Umsetzung der ‚Button-Lösung’ können gravierend sein: Zum einen riskiert man wettbewerbsrechtliche Abmahnungen. Zum anderen kommt kein Vertrag zustande und der Unternehmer hat keinen Anspruch auf Bezahlung, denn das Gesetz sieht vor, dass ein Vertrag nur dann als wirksam abgeschlossen gilt, wenn der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet (vgl. § 312g Abs. 4 BGB).


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Revision von UWG und PBV seit 1. April 2012 in Kraft

Am 1. April 2012 ist das revidierte Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Kraft getreten. Dieses führt in Art. 3 Abs. 1 lit. p-u UWG mehrere neue Tatbestände ein, die bislang entweder nur über die Generalklausel des Art. 2 UWG oder noch gar nicht erfasst waren. Zugleich wurde die geänderte Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen (PBV) in Kraft gesetzt.

Unlauter sind neu u.a.: Schwindeleien bei Einträgen in nutzlosen Online-Registern, unerbetene Telefonanrufe zu Werbezwecken, Einschränkungen im Zusammenhang mit Gewinnversprechen, Schneeballsystemen bzw. Lawinen- und Pyramidensystemen oder die Missachtung von Opt-Outs in Telefonbüchern.

Für Anbieter von Waren, Werken und Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr sieht das Gesetz in Art. 3 Abs. 1 lit. s UWG gewisse Informationspflichten und Pflichten hinsichtlich der technischen Infrastruktur vor. Im Einzelnen sind dies:

  • klare und vollständige Angaben über die Identität des Anbieters, dessen Adresse sowie E-Mail-Adresse (sog. „Impressumspflicht“)
  • Hinweis auf die einzelnen technischen Schritte, die zum Vertragsschluss führen
  • technische Mittel, mit denen Eingabefehler vor Abgabe einer Bestellung erkannt und korrigiert werden können
  • unverzügliche elektronische Bestätigung einer Kundenbestellung

Diese Pflichten treffen insbesondere Online-Shop-Betreiber im E-Commerce. Betroffen sind hiervon grundsätzlich auch Online-Händler, die über Auktionsplattformen wie ricardo oder eBay handeln.

Ab 1. Juli 2012 wird Art. 8 rev. UWG über missbräuchliche Geschäftsbedingungen in Kraft treten. Die neue Bestimmung lautet wie folgt:

„Art. 8 Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen

Unlauter handelt insbesondere, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen.“

Das bisherige Kriterium der „Irreführung“ entfällt und wird durch das Kriterium von „Treu und Glauben“ ersetzt.

In der Preisbekanntgabeverordnung (PBV) wurden zusätzliche Dienstleistungen miteinbezogen: Neu muss nun auch bei der Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten, bei Dienstleistungen von Tier- und Zahnärzten und Bestattungsinstituten sowie bei Notariatsdienstleistungen der tatsächlich zu zahlenden Preis genannt werden. Dies gilt zudem u.a. auch für Flug- und Pauschalreisen, die z.B. über das Internet gebucht werden können.

Quellen und weitere Informationen:

  • Revidiertes Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG (Stand: 1. April 2012): http://www.admin.ch/ch/d/sr/2/241.de.pdf
  • Wortlaut der einzelnen UWG-Änderungen: http://www.admin.ch/ch/d/as/2011/4909.pdf
  • Revidierte Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen, PBV (Stand: 1. April 2012): http://www.admin.ch/ch/d/sr/9/942.211.de.pdf
  • Wortlaut der einzelnen PBV-Änderungen: http://www.admin.ch/ch/d/as/2011/4959.pdf
  • Pressemitteilung des Staatssekretariat für Wirtschaft SECO vom 29.03.2012: http://www.seco.admin.ch/aktuell/00277/01164/01980/index.html?lang=de&msg-id=43978

Bundespatentgericht: „Young Wild & Sexy“

Das Bundespatentgericht hat die die Anmeldung der Wortfolge „Young Wild & Sexy“ als Marke für Tanzveranstaltungen wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt. Der Werbeslogan wirke lediglich als Anpreisung und Werbeaussage allgemeiner Art, ohne herkunftshinweisenden Charakter, etwa auf eine bestimmte Dienstleistung.

Laut Gericht bedeuteten die verwendeten englischen Begriffe allgemein verständlich „jung“, „stürmisch, verrückt, toll“ und „sexuell attraktiv, zu einer entsprechenden sexuellen Wirkung verhelfend“ sowie „erotisch attraktiv“. Die Adjektive könnten alle thematisch einer jungen, unbefangenen, offenen, unkonventionellen und freizügigen Einstellung und Ausstrahlung zugeordnet werden.

Einer fremdsprachigen Wortmarke wie der vorliegenden fehle jedoch die Unterscheidungskraft, wenn der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren nicht im Stande sei, deren Bedeutung zu erkennen.

„Young, wild & sexy“ erschöpfe sich in einer rein beschreibenden Sachaussage.
Die betreffende Wortfolge werde üblicherweise zur Beschreibung der genannten Eigenschaften verwendet, ohne überhaupt einen Unternehmenshinweis darzustellen, was schon gegen Originalität oder Prägnanz der Wortfolge spreche.

Quelle:

  • Bundespatentgericht, Beschluss v. 10. 11. 2010, Az. 27 W (pat) 84/10.

BGH: Werbebeschränkungen für Lotterien

Lottogesellschaften sei es nicht generell verboten, hohe Gewinne bei Jackpotausspielungen anzukündigen. Das hat das oberste deutsche Zivilgericht entschieden. Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisierte damit die Werbebeschränkungen für Lotterien in Deutschland.

Nicht jede Ankündigung einer Jackpotausspielung mit einem möglichen Höchstgewinn über 10 Mio. € sei grundsätzlich unzulässig, so der BGH. Die konkrete Gestaltung der Werbung einer Jackpotausspielung müsse sich jedoch in den zulässigen Grenzen halten. Nach § 5 Abs. 1 GlüStV habe sich Werbung für öffentliches Glücksspiel „zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken“. Daher sei die sachliche Information über Art und Höhe der ausgelobten Preise zwar erlaubt, die Information über den Höchstgewinn müsse aber zudem (nach den Richtlinien im Anhang des Glücksspielstaatsvertrags) mit einer Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust verbunden werden, damit die Anlockwirkung des Höchstgewinns begrenzt werde.

Nicht zulässig hielt der BGH eine Ankündigung in der Höchstgewinne von 26 oder 29 Mio. € im Schriftbild hervorgehoben, verbunden mit der Abbildung jubelnder Menschen angekündigt wurden. Auch der Imperativ „Spiel mit“ als Titel eines Kundenmagazin sei unzulässig, da er eine Aufforderung zur Spielteilnahme enthalte.

Quellen:

  • BGH, Urteil v. 16.12.2010 – I ZR 149/08 – „Spiel mit“; Pressemitteilung Nr. 240/2010.