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Beruf & Arbeit

Schweizer Bundesgericht zur Bestimmtheit einer Konkurrenzverbotsabrede (BGer 4A_2010/2018)

Schweizer Bundesgericht zur Bestimmtheit einer Konkurrenzverbotsabrede (BGer 4A_2010/2018)

In einem am 04.09.2019 veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts vom 02.04.2019, Referenz 4A_210/2018, das zur Aufnahme in die amtliche Sammlung vorgesehen ist, hat sich das Bundesgericht zur Frage geäussert, ob und inwieweit die in einer schriftlich abgefassten nacharbeitsvertraglichen Konkurrenzverbotsabrede enthaltene Formulierung, sich "jeder konkurrenzierenden Tätigkeit" zu enthalten, als in gegenständlicher Hinsicht genügend bestimmt ist.

Das Bundesgericht führt hierzu im Wesentlichen folgendes aus:

  • Unter geltendem Recht ist der nach Art. 340a Abs. 1 OR zu begrenzende Umfang des Konkurrenzverbots ein objektiv wesentliches Element, welches vom Schriftformvorbehalt erfasst ist (...). Insoweit sind die Anforderungen an die Bestimmung des Inhalts eines Konkurrenzverbots gemäss Art. 340a Abs. 1 OR und die Formvorschrift von Art. 340 Abs. 1 OR untrennbar miteinander verbunden (...). (E. 3.5.1)

  • Auch in Bezug auf den Art. 340 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 340a Abs. 1 OR zugrunde liegenden Gesetzeszweck des Arbeitnehmerschutzes, der die Parteien zu Recht dazu anhält, den örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang gesamthaft schriftlich zu begrenzen, ist weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern es nicht zulässig sein sollte, "jede konkurrenzierende Tätigkeit " zu verbieten. Da ein Konkurrenzverbot nicht jede Tätigkeit untersagen darf, sondern nur eine konkurrenzierende, kann das Verbot nicht über den effektiven Geschäftsbereich hinaus reichen (...). Konkurrenz in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die beiden Unternehmen dem mindestens teilweise gleichen Kundenkreis gleichartige und folglich unmittelbar das gleiche Bedürfnis befriedigende Leistungen anbieten (...). In der Rechtspraxis hat sich die gegenständliche Umschreibung mit "jeder konkurrenzierenden Tätigkeit" etabliert (...). (E. 3.5.2)

  • Das Verbot "jeder konkurrenzierender Tätigkeit" erfüllt das Gebot der Form. Es ist genügend bestimmt bzw. anhand der allgemeinen Auslegungsmethoden hinreichend bestimmbar. (E.3.6)

Damit bestätigt das Bundesgericht die bisherige Rechtspraxis.

Schweizer EMPA prüft die offiziellen Fussbälle für die FIFA-Fussball-WM 2018

Schweizer EMPA prüft die offiziellen Fussbälle für die FIFA-Fussball-WM 2018

Damit Ronaldo und Co. verlässlich «zaubern» können

Dübendorf, St. Gallen und Thun, 28.05.2018 - Der offizielle Ball für die FIFA-Fussball-WM 2018 in Russland hat nach zahlreichen Tests das «OK» der Empa erhalten. Manche Torhüter sehen dessen Flugeigenschaften zwar eher kritisch; Die Ursache ihrer Kritik könnte jedoch ganz woanders liegen – am eher unkonventionellen Äusseren des neuen Balls.

Fussball lebt von Emotionen. Wenn es um den diesjährigen WM-Ball geht, sind die Experten der Empa allerdings völlig emotionslos. Fragt man sie nach ihrem Eindruck zu den bereits des Öfteren bemängelten Flugeigenschaften des Adidas-Modells «Telstar 18» wehren sie ab: «Eindrücke sind etwas Subjektives», sagt Martin Camenzind vom «Laboratory for Biomimetic Membranes and Textiles». «Wir verlassen uns auf objektive Parameter, die den Telstar 18 charakterisieren.» Dass Kritiker, wie Spaniens Torhüter David De Gea und Pepe Reina oder der Deutsche Goalie Mark-Andre ter Stegen dem Ball «Flatterhaftigkeit» unterstellen, beeindruckt Camenzind daher kaum. Die eigens an der Empa in St. Gallen für offizielle Turnierfussbälle entwickelte Testreihe hat der Telstar 18 jedenfalls erfolgreich bestanden, und nur das zählt für den Empa-Forscher.

Seit 22 Jahren führt die Empa im Auftrag der FIFA die unbestechlichen Versuchsreihen mit Fussbällen durch, die das Gütesiegel des FIFA-Qualitätsprogramms anstreben. Längst nicht jeder Ball besteht die Probe. Hier werden nicht nur Umfang und Gewicht des Balls gemessen. Er darf ausserdem trotz 250-maligem Quetschen in einem Wasserbehälter nur minimale Mengen an Flüssigkeit aufnehmen, muss seine Luft halten können und immer wieder gleich hoch abspringen, wenn er aus zwei Metern Höhe aufprallt. Um zu beweisen, dass es sich um eine perfekte Kugel handelt, wird der Ball zudem an sage und schreibe 4000 Punkten vermessen. Und schliesslich muss diese Kugel ihre Form auch behalten, wenn sie 2000 Mal mit 50 Stundenkilometern gegen eine Stahlwand geschossen wurde.

Derartige Standards entscheiden mit über die Qualität und Konsistenz der Sportart. Als die Testreihen eingeführt wurden, gelang es noch nicht allen Herstellern, die verlangten Eigenschaften zu erzielen: «Es fielen immer wieder Exemplare durch», erinnert sich Camenzind. Mancher Lederball hätte etwa deutlich an Grösse zugenommen nach der Prozedur oder zu viel Wasser aufgesogen. Die heutigen Bälle seien denn auch geklebt oder geschweisst, da Nähte mit der Zeit nachgeben könnten. Ebenso ist das traditionelle Leder mehrheitlich Kunststoffen gewichen, deren Oberfläche gezielt strukturiert wird, was besonders bei Nässe auf dem Feld eine griffigere Führung des Balls ermöglichen soll.

Angewandte Physik statt Magie

Und eben diese Oberfläche sei es, melden Kritiker, die für den unberechenbaren Flug des Balles sorge. Telstar 18 sei ein merkwürdiges, flatterndes Exemplar, behaupten Torhüter verschiedener WM-Teams, die den Ball bereits testen durften. Doch Camenzind kontert: «Hier kommt auch die Optik mit ins Spiel», erklärt der Ingenieur. Telstar 18 ist nicht aus den traditionellen Sechs- und Fünfecken aufgebaut, sondern aus unregelmässigen Elementen, die unsymmetrisch bedruckt sind. So könne der fliegende Ball bei entsprechenden Lichtverhältnissen durchaus ein ungewohnter Anblick sein. «Wir konnten in einer Studie mit einem computergesteuerten Fuss zeigen, dass Bälle, bei denen ein flatterndes Flugverhalten bemängelt wurde, sich im Experiment bei definierten Verhältnissen keineswegs so verhielten.»

Dass die Flugbahn eines Fussballs ohnehin eine komplexe und mitunter, gemäss Theorie der Aerodynamik auch chaotische Angelegenheit ist, machen sich die wahren Könner zu nutze. Denn anders als ein stromlinienförmiges Geschoss, das eine perfekte Parabel beschreibt, verformt sich der Ball, beispielsweise wenn ihn der Spieler tritt. «Die Deformation durch den auftreffenden Fuss gibt dem Ball zunächst eine etwas wabbelige Bewegung», erklärt Camenzind. Gute Spieler machten sich diesen Effekt zu Nutze, nach dem Motto «bend it like Beckham». Hierbei handele es sich jedoch eigentlich nicht um Zauberkunst, sondern um akkurat angewandte Physik. Und die muss gut einstudiert sein, denn sobald der Fuss wenige Millisekunden am Ball ist, kann der Spieler seine Bewegung nicht mehr willentlich beeinflussen. Die Zeit reicht einfach nicht aus, um Nervenimpulse vom Fuss bis ins Gehirn zu leiten und ein taktisch ausgefeiltes Feedback an die Muskulatur des Spielers zu senden. Und so muss in der Kürze des Schusses die Physik von Fuss und Ball perfekt sitzen. Bälle von gleichbleibender Qualität tragen dazu bei, dass dies gelingt.

Quelle: Medienmitteilung der EMPA vom 28.05.2018

 

BGer 4A_92/2017: Art und Weise des Vollzugs einer Freistellung nach Kündigung führt zu deren Missbräuchlichkeit

BGer 4A_92/2017: Art und Weise des Vollzugs einer Freistellung nach Kündigung führt zu deren Missbräuchlichkeit

Das Bundesgericht hatte sich in einem Entscheid vom 26.06.2017 (4A_92/2017), veröffentlicht am 27.09.2017, mit der Frage zu befassen, ob die Art und Weise einer vollzogenen Freistellung einer Arbeitnehmerin kurz nach Aussprache einer sachlich unbegründeten Kündigung, zu deren Missbräuchlichkeit führt.

Sachverhalt:

Die Beschwerdegegnerin war als Direktorin im Bereich Human Resources bei einem Alters-und Pflegeheim (Beschwerdeführerin) im Kanton Genf angestellt. Sie wurde wegen diverser Entlassungen von Angestellten von einem Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin immer wieder kritisiert.
Der Arbeitgeber unterstützte jedoch die Direktorin in ihrem Handeln und sprach ihr das volle Vertrauen aus. Als ein dritter Stellvertreter für die Direktorin eingestellt wurde, kontrollierte dieser die Arbeit seiner Vorgesetzten, was zu Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten führte. Die Verantwortlichen baten die Direktorin um gute Zusammenarbeit mit ihrem Stellvertreter. Am 17.01.2014 wurde der Direktorin auf den 31.07.2014 das Arbeitsverhältnis gekündigt und sie mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung freigestellt. Der Arbeitgeber führte als Kündigungsgrund den Vertrauensbruch mit der Direktorin aufgrund Mängel in der Personalleitung sowie die mangelnde Zusammenarbeit mit dem nun schon bereits dritten Stellvertreter an.

Umgehend nach Aussprache der Kündigung musste die Direktorin ihre Schlüssel abgeben und das Betriebsgelände verlassen. Ihr wurde ein Hausverbot erteilt. Wenige Tage später konnte sie in Begleitung einer Person einige ihrer persönlichen Sachen abholen. Zudem konnte sich die Beschwerdegegnerin von den Bewohnern des Alters- und Pflegeheims sowie von den leitenden Angestellten nicht mehr verabschieden.

Die Direktorin nahm daraufhin ihren ehemaligen Arbeitgeber u.a. auf Zahlung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung in Anspruch.

Vorinstanzen:

Die kantonalen Vorinstanzen – le Tribunal des prud’hommes du canton de Genève und la Chambre des prud’hommes de la Cour de justice du canton de Genève – erachteten die Kündigung aufgrund der schockierenden Art und Weise wie die Kündigung ausgesprochen wurde sowie aufgrund des Fehlens eines plausiblen, sachlichen Grundes für die Kündigung als missbräuchlich.

Das Bundesgericht schloss sich in seiner Begründung der Vorinstanz an und stellte fest, dass eine Kündigung, der eine sofortige Freistellung der Arbeitnehmerin folgt, verbunden mit der Rückgabe von Schlüsseln, der Aussprache eines Verbotes, das Betriebsgelände des Arbeitgebers betreten zu dürfen, sowie der Begleitung durch eine Person, um ihren Arbeitsplatz (persönliche Sachen) zu räumen und das Betriebsgelände zu verlassen,
nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sei, bei den anderen Mitarbeitern den Anschein zu erwecken, die Kündigung sei aus schwerwiegenden Gründen ausgesprochen worden, was missbräuchlich sei (E. 2.5.2). Im vorliegenden Fall habe für den Arbeitgeber kein Grund für ein derartiges Vorgehen im Zusammenhang mit der Freistellung und mit der Begleitung vorgelegen, da weder der Verlust heikler Daten noch der Verlust der Kundschaft des Arbeitgebers zu befürchten war. Der Arbeitgeber wollte damit nur verhindern, dass die Arbeitnehmerin mit den anderen Arbeitskollegen noch kommunizierte (E. 2.3.1). Ferner konnte der Arbeitgeber seine Kündigung nicht plausibel begründen. So sei die Führung des Personals von der Arbeitnehmerin in der Vergangenheit nie bemängelt worden. Vielmehr habe ein Vorstandsmitglied die Arbeitnehmerin aus persönlichen Gründen loswerden wollen.

Die Höhe der Entschädigung erachtete das Bundesgericht mit vier Monatslöhnen als angemessen, wobei es die hohe Anzahl Dienstjahre (20) und das Lebensalters (49 Jahre) der Gekündigten sowie den fehlenden Nachweis eines beruflichen Fehlverhaltens und die Schwierigkeit für die Gekündigte, eine neue Arbeitsstelle zu finden, berücksichtigte (E. 3.3.1).

BGer 4A_706/2016: Keine Kumulation von Kündigungssperrfristen bei psychischer Erkrankung

BGer 4A_706/2016: Keine Kumulation von Kündigungssperrfristen bei psychischer Erkrankung

Das Bundesgericht hatte sich in einem Entscheid vom 04.08.2017 (4A_706/2016), publiziert am 05.10.2017, mit der Frage zu befassen, inwieweit verschiedene Krankheiten, welche zu einer fort­dauernden Arbeitsunfähigkeit führen, jeweils eine neue Sperrfrist nach Art. 336c Abs. 1 Ziff. b OR aus­lösen.

Sachverhalt:

Der Arbeitnehmer war seit dem 1. Oktober 2010 bei der Arbeitgeberin (Beschwerdeführerin) angestellt. Vom 11.06.2013 bis 15.01.2014 wurde der Arbeitnehmer aufgrund einer koronaren Herzkrankheit vollkommen arbeitsunfähig. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit vom 16.01.2014 bis 05.05.2014 ergab sich nach einem operierten Nierentumor. Aus psychischen Gründen – Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion – war der Arbeitnehmer dann vom 06.05.2014 bis 31.10.2014 ebenfalls zu 100% arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin kündigte dem Arbeitnehmer mit Schreiben vom 26.06.2014 auf den 31.08.2014. Diese Kündigung wurde vom Arbeitnehmer angefochten. Nach erfolgloser Schlichtung kündigte die Arbeitgeberin sicherheitshalber ein zweites Mal mittels Schreibens vom 21.01.2015 auf den 31. März 2015.

Vorinstanzen:

Der Arbeitnehmer erhob Klage beim Zivilgericht Littoral et du Val-de-Travers, welches entschied, dass die 90-tägige Sperrfrist i.S.v. Art. 336c Abs. 1 Ziff. b OR verstrichen sei, weil die psychischen Probleme des Angestellten gemäss ärztlichem Bericht des behandelten Arztes bereits vor dem 06.05.2014 bestanden hätten und folglich keine neue Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 06.05.2014 gegeben sei. Deshalb wurde die Kündigung vom 26.06.2014 als gültig erachtet.

Das Kantonsgericht Neuenburg hob diesen erstinstanzlichen Entscheid auf und bestätigte die nichtige Kündigung. Es bejahte den Beginn der 90-tägigen Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 Ziff. b OR ab dem 6. Mai 2014, weil die psychischen Beschwerden als neue Ursache zu erachten seien und demzufolge eine neue Arbeitsunfähigkeit des Angestellten vorläge.

Begründung des Bundesgerichts:

Dieses zweitinstanzliche Urteil zog die Arbeitgeberin an das Bundesgericht weiter. Dieses überprüfte die Ursache(n) der verschiedenen Krankheiten, welche zur fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geführt hatten und inwieweit diese Krankheiten einen Einfluss aufeinander ausübten. Das Bundesgericht stellte fest, dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung lange und schlimme Erkrankungen belastend auf das soziale Umfeld des Patienten auswirken können und die Angst, die Arbeitsstelle zu verlieren, sowie die miteinhergehenden finanziellen Probleme zu psychischen Erkrankungen führen können. Es sah die Hauptursache der psychischen Erkrankungen des Arbeitnehmers in seinen Vorerkrankungen (Herzkrankheit und Nierentumor), sodass keine neue Sperrfrist ausgelöst worden sei (E. 3.5).

Der vom Bundesgericht zu würdigende Bericht des behandelnden Hausarztes des Arbeitnehmers, wonach sich die Gründe der Arbeitsunfähigkeit vermischen würden und keine scharfe Trennlinie gezogen werden könne (E. 3.1 und 3.5), wurde denn dem Arbeitnehmer auch zum „Verhängnis“. Bemerkenswerterweise steht der hausärztlichen Einschätzung ein Fachbericht des Chef­arztes einer psycha­trischen Fachklinik entgegen, wonach ein Zu­sammenhang zwischen den physischen Erkrankungen und der ps­ychischen Erkrankung gerade nicht gesehen, sondern der Grund der psychischen Er­krankung in verschiedenen sozialen Stressfaktoren verortet wurde (E. 3.5).

BGer 4A_134/2017: „Beratungsvertrag“ mit Einmann-AG als Arbeitsverhältnis qualifiziert

BGer 4A_134/2017: „Beratungsvertrag“ mit Einmann-AG als Arbeitsverhältnis qualifiziert

In einem am 02.10.2017 veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts vom 24.07.2017 (4A_134/2017) hatte sich dieses mit der Qualifizierung eines „Beratungsvertrages“ mit einer Einmann-AG zu befassen.

Sachverhalt:
Die beschwerdeführende A-AG bezweckt u.a. Unternehmensberatung und schloss im Jahr 2004 einen Beratungsvertrag mit der C-AG (Beschwerdegegnerin). An der A-AG war nur eine natürliche Person, nämlich D., beteiligt. Mit dem Beratungsvertrag verpflichtete sich die A-AG, der C-AG den D. als Berater und Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen. Der Vertrag hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt:

  • Einräumung des Weisungsrechts gegenüber D. von der A-AG an den Verwaltungsrat der C-AG

  • Honorar von jährlich CHF 250’000.- zuzüglich 25% bzw. zusätzlich 15% Provision bei Erreichen der vorgegebenen Ziele

  • unbestimmte Vertragslaufzeit mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten

  • fünf Wochen Ferien pro Jahr im Honorar enthalten

D. war bei der C-AG während Jahren in die Betriebsorganisation eingegliedert und von dieser wirtschaftlich abhängig.
Die A-AG war praktisch stillgelegt und diente lediglich als Zahlstelle für die vereinbarten Honorare. Die C-AG kündigte den Vertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 12 Monaten per Ende April 2011. Daraufhin machte die A-AG aus dem beendeten Vertrag Restansprüche (ausstehende Honorare, Provisionen und Spesenentschädigung) aus Auftragsverhältnis, hilfsweise aus einem Personalverleihverhältnis geltend.

Die Vorinstanzen – Bezirksgericht Willisau und Kantonsgericht Luzern – qualifizierten die von D. erbrachten Leistungen zwischen der C-AG und D. als Arbeitsverhältnis und nicht als Auftrag (zwischen A-AG und C-AG mit D als Erfüllungsgehilfe) – wie von den Parteien behauptet – oder verdeckten Personalverleih, wobei das erstinstanzliche Gericht (Bezirksgericht Willisau) noch einen echten Vertrag zugunsten Dritter, woraus D. als Arbeitnehmer Rechte ableiten könne, und eventuell einen konkludent zustandegekommenen Arbeitsvertrag zwischen der C-AG und D. annahm.

Das Bundesgericht schloss sich in seiner Begründung den Feststellungen der Vorinstanz an und qualifizierte die Dienstleistungsbeziehung zwischen D. und der C-AG trotz fehlendem schriftlichen Vertrag als normales Arbeitsverhältnis (vgl. E.2), wobei der „Beratungsvertrag“ zwischen der A-AG und der C-AG nur simuliert gewesen sei (vgl. E.2.5). Weiter führt das Bundesgericht aus, der an der Beschwerdeführerin allein berechtigte D. habe zwar im Namen der Beschwerdeführerin (A-AG) – aber im Ergebnis für sich selbst – einen Vertrag mit der Beschwerdegegnerin abgeschlossen, der seinem Inhalt nach die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten zwischen D. und der Beschwerdegegnerin regele und der in der Folge tatsächlich als Arbeitsvertrag zwischen diesen Parteien gelebt worden sei (vgl. E.2).

Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche

Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche

Wird ein Ferienanspruch nicht in dem Dienstjahr, in dem er entstanden ist, vom Arbeitnehmer bezogen, besteht Einigkeit darüber, dass diese Ansprüche nicht verwirken, sondern der Verjährung unterliegen (BGE 130 III 25).

Die Verjährungsfrist von Ferienansprüchen beträgt 5 Jahre (Art. 128 Ziffer 3 OR; BBl 1982 III 201 (237); BGE 136 III 94) und beginnt nach Art. 130 Abs. 1 OR mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Fälligkeit tritt grundsätzlich am letzten Tag ein, an dem die restlichen nicht bezogenen Ferientage noch während dem laufenden Dienstjahr bezogen werden könnten (BGE 136 III 94). Der pro Dienstjahr entstehende und fällig werdende Ferienanspruch verjährt damit für jedes Dienstjahr gesondert (vgl. auch BRÜHWILER, JÜRG, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar, 3. Aufl., Art. 329c N 1). Gleiches gilt meines Erachtens, wenn statt des Dienstjahres (gesetzlicher Regelfall) arbeitsvertraglich das Kalenderjahr oder das Geschäftsjahr als Ferien-Referenzperiode vereinbart wird.

Häufig anzutreffende Regelungen in Arbeitsverträgen, wonach Ferien bis zu einem bestimmten Monat im nächsten Kalenderjahr bezogen werden müssten, andernfalls sie verfallen würden, sind nach Art. 341 Abs. 2 OR bzw. Art. 129 OR nichtig.

Wenn ein vom Arbeitnehmer nicht bezogenes Ferienguthaben (Restanspruch) am Ende eines Dienstjahres vom Arbeitgeber mitgeteilt wird oder auf das neue Dienstjahr übertragen wird – z.B. wenn der Ferienguthabensaldo jeweils auf den Lohnabrechnungen oder im Arbeitszeiterfassungssystem festgehalten wird – wird vereinzelt in Lehre und Rechtsprechung eine Neuerung einer alten Schuld gestützt auf Art. 117 Abs. 2 OR analog angenommen, was die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnen lässt (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E.3.4; OGer ZG in JAR 1983 S. 145; KGer ZG JAR 1983 S. 145, STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 329c N5; BRÜHWILER a.a.O. Art. 329c N 1). Erforderlich ist jedoch eine ausdrückliche Bestätigung des Feriensaldos (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7. Aufl. Art. 329c N5).

Auf die Ordnung zur Anrechnung von Schulden (Tilgung) – hier die Ferienschuld des Arbeitgebers – finden die Art. 86 und 87 OR Anwendung (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E. 3.4, so auch KantGer/FR v. 23.09.2015, 102 2015 106 E. 2.a, das von einer analogen Anwendung bezüglich aufgelaufenem Ferienguthaben ausgeht). Die gesetzliche Regelung sieht im Wesentlichen folgende Schuldentilgungsordnung vor:

1. Erklärung des Schuldners (hier des Arbeitgebers) bei Zahlung (d.h. Feriengewährung), welche Schuld er tilgen will (Art. 86 Abs. 1 OR);
2. mangelt es an einer Erklärung im Sinne von Ziffer 1., so wird der Ferienbezug an diejenige Schuld angerechnet, die der Arbeitnehmer bezeichnet (Art. 86 Abs. 2 OR);
3. liegt weder eine Erklärung nach Ziffer 1. noch nach Ziffer 2. vor, so ist der Ferienbezug auf die früher verfallen Schuld anzurechnen (Art. 87 Abs. 1 OR).

Wenn also, was in der Praxis der wohl häufigste Fall sein wird, weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erklärt wird, welcher
Ferienanspruch aus welchem Dienstjahr auf die zu beziehenden Ferien angerechnet werden soll, so wird nach Art. 87 Abs. 1 OR automatisch jeweils die frühesten fälligen Ferienansprüche angerechnet. Werden so jeweils die am frühestens verjährenden Ferienansprüche getilgt,
läuft ein Arbeitnehmer weniger Gefahr in die Verjährungsfalle zu laufen.

Zu Gunsten eines Arbeitgebers könnte meines Erachtens arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass beim Bezug von
Ferien zunächst der im jeweils selben Dienstjahr entstandene Ferienanspruch angerechnet wird und zweitrangig allfällig bestehende Ferienansprüche, die in einem vorherigen Dienstjahr entstanden und soweit diese nicht verjährt sind.

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung eines Sicherheitswärters gerechtfertigt

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung eines Sicherheitswärters gerechtfertigt

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 1. Dezember 2016 (Aktenzeichen: 4A_521/2016) entschieden, dass die einem Sicherheitswärter gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt war, nachdem der Arbeitnehmer während drei Tagen krank und damit arbeitsunfähig war aber die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzen während drei Tagen nicht gemeldet hatte bzw. die Meldung (Vorlage eines ärztlichen Attests) erst am Tag nach Aussprache der fristlosen Kündigung beim Arbeitgeber eingetroffen ist.

Sachverhalt:
Ein Gleis-Sicherheitswärter (Arbeitnehmer, Kläger) – eine Sicherheitsperson, die bei Gleisarbeiten das Arbeitsteam vor herannahenden Zügen warnt – war vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2014 befristet im Rahmen eines Temporärarbeitsverhältnisses (Leih- Arbeitsverhältnis) bei der Beklagten/Beschwerdegnerin (Arbeitgeberin) angestellt und an einen Drittbetrieb (Einsatzbetrieb) verliehen. Ab Montag, 7. Juli 2014, blieb der Arbeitnehmer der Arbeit im Einsatzbetrieb fern. Die Arbeitgeberin versuchte an den darauf folgenden Tagen (8. und 9. Juli 2014) den Arbeitnehmer telefonisch – sowohl auf dessen Geschäfts- als auch auf dessen Privathandy – insgesamt 13 Mal zu erreichen. Die Kontaktaufnahmen der Arbeitgeberin blieben erfolglos. Mit Schreiben vom Mittwoch, 9. Juli 2014, sprach die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Ein Arztzeugnis des Arbeitnehmers ging am Donnerstag, 10. Juli 2014, bei der Arbeitgeberin ein.

Zur Begründung führt das Bundesgericht aus (Erwägungen):
„2.2.1. Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Abs. 3).

2.2.2. Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das
Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 4.2, zur Publ. vorgesehen; BGE 130 III 28 E. 4.1 S. 31, 213 E. 3.1 S. 220 f.; 129 III 380 E. 2.1; je mit Hinweisen). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 4.2, zur Publ. vorgesehen; BGE 127 III 153 E. 1a S. 155; 116 II 145 E. 6a S. 150). (…)

2.2.3. Nach Art. 337 Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag jederzeit fristlos auflösen. Folglich kann der Arbeitgeber die fristlose Entlassung auch im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers aussprechen, trotz zeitlicher Kündigungsbeschränkung nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR für die ordentliche Kündigung (Urteile 8C_417/2011 vom 3. September 2012 E. 4.3; 4C.247/2006 vom 27. Oktober 2006 E. 2.1). Nach Art. 337 Abs. 3 OR darf das Gericht aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund für die fristlose Entlassung anerkennen.

(…)

3.4. Da die unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung nach Art. 337 Abs. 3 OR keinen Grund für die fristlose Entlassung darstellen kann (dazu Erwägung 2.2.3), kommt als Grund für die fristlose Entlassung einzig in Frage, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin bzw. den Einsatzbetrieb nicht umgehend über seine Abwesenheit am Arbeitsplatz orientierte. Ob das Beurteilungsgespräch vom 6. Januar 2014 durch den damaligen Vorgesetzten des Beschwerdeführers im Einsatzbetrieb zusammen mit dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Beurteilungsblatt eine Verwarnung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darstellen würde (dazu Urteil 4A_188/2014 vom 8. Oktober 2014 E. 2.3), braucht nicht beurteilt zu werden, wenn die Verfehlung des Beschwerdeführers als besonderes schwer zu qualifizieren ist, sodass er auch ohne vorgängige Verwarnung fristlos entlassen werden kann.

3.5. Die Vorinstanz stützte sich für die dem Beschwerdeführer vorgeworfene schwerwiegende Verfehlung einzig auf einen Verstoss gegen das Mitarbeiterhandbuch der Beschwerdegegnerin. Diesbezüglich ist zu ergänzen, dass sich bereits aus der Treuepflicht nach Art. 321a Abs. 1 OR ergibt, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über nicht vorhersehbare Absenzen, wie beispielsweise eine Krankheit, umgehend zu informieren hat (vgl. Urteile 4C.359/2006 vom 12. Januar 2007 E. 6; 4C.346/2004 vom 15. Februar 2005 E. 5.1). (…)“

Fazit:
Laut Bundesgericht sind Arbeitnehmer bereits aus der allgemeinen gesetzlichen Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR) verpflichtet, dem Arbeitgeber umgehend eine unvorhergesehene Absenz (z.B. wegen eines Unfalls oder einer Krankeit) zu melden. Arbeitnehmer, die dies nicht umgehend melden, laufen Gefahr, fristlos gekündigt zu werden. Eine Absenz-Meldung, die erst nach drei Tagen erfolgt, ist in jedem Fall nicht mehr rechtzeitig, so das Gericht. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer bereits zur Absenz-Meldung nicht mehr in der Lage wäre, z.B. wenn der Arbeitnehmer im Koma liegt. Eine Absenz-Meldung des Arbeitnehmers sollte beweissicher erfolgen, also z.B. per SMS, Whatsapp, E-Mail, Fax. Die Mitteilung per Brief dauert in der Regel bereits zu lange. Hiervon unabhängig ist die Frage, ob und wann dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest einzureichen ist. Dies hängt insbesondere davon ab, was arbeitsvertraglich vereinbart wurde. Ein ärztliches Attest kann dann aber sehr wohl – innert der arbeitvertraglich vereinbarten Frist – per Post dem Arbeitgeber gesandt werden.

Von Arbeitgebern ist zu beachten, dass mit der Aussprache einer fristlosen Kündigung nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes nicht sehr lange zugewartet werden kann, andernfalls das Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt. Im Einzelfall kann bereits ein Zuwarten von mehr als drei Arbeitstagen zur Verwirkung führen.

Quellen:

Art. 321a Abs 1 OR lautet:
1 Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren.

Art. 337 OR lautet:
1 Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt.1

2 Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

3 Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen, darf aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund anerkennen.

BGer 4A_42/2011: Beweislast und Schätzung von Überstunden

BGer 4A_42/2011: Beweislast und Schätzung von Überstunden

Das Bundesgericht entschied unter Bestätigung ihrer ständigen Rechtsprechung (BGE 129 III 171), dass der Beweis über die Anordnung von Überstunden gleichgesetzt wird, wenn der Arbeitgeber von der Notwendigkeit, Überstunden zu leisten, Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben können. (E. 5.2)

Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Überstunden nicht gemeldet hat, ist bedeutungslos, sofern feststeht, dass der Arbeitgeber um die geleisteten Überstunden wusste oder hätte wissen müssen. (E. 5.2)

Sofern ein strickter Beweis über die Tatsache, dass durch den Arbeitnehmer Überstunden geleistet wurden, nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann durch eine analoge Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR der Nachweis erleichtert werden. (E. 6.)


Gesetzesbestimmungen: Art. 42 OR, Art. 321c Abs. 1 OR, Art. 321c Abs. 3 OR, Art. 361 OR
Stichworte: Arbeitsrecht, Überstunden, Pflicht zur Leistung von Überstunden, Schätzung von Überstunden, Meldung von Überstunden
Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 15.07.2011 (4A_42/2011)

BGer 4A_236/2012: Fristlose Entlassung einer Abteilungsleiterin gerechtfertigt

Befolgt eine Abteilungsleiterin einer Bank allgemeine Anordnungen zur internen Kontrolle über einen Zeitraum von drei Jahren nicht (Art. 321d Abs. 2 OR), kann dies einen wichtigen Grund gemäss Art. 337 OR darstellen und den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung berechtigen (E. 2.2 f.).

Eine fristlose Kündigung ist nach rund zwei Wochen seit Kenntnis der erheblichen Tatsachen noch rechtzeitig erklärt und damit Ausdruck der zerstörten Vertrauensbasis, wenn die Kenntnisnahme kurz vor wichtigen Feststagen wie Ostern erfolgt und aufgrunddessen die für die tatsächlichen und rechtlichen Abklärungen zuständigen Entscheidungsträger des Arbeitgebers teilweise abwesend sind und zudem die zu Kündigende ferienabwesend ist (E. 2.4 f.).


Gesetzesbestimmungen: Art. 337 OR, Art. 321d OR
Stichworte: Arbeitsrecht, Befolgung von allgemeinen Anordnungen, fristlose Entlassung, wichtiger Grund, sofortige (umgehende) Erklärung der fristlosen Kündigung, Überlegungsfrist, Verwirkung
Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 02.08.2012 (4A_236/2012)

Berufsmusiker kann häusliches Übungszimmer steuerlich absetzen

Das Musikzimmer eines Berufsmusikers in dessen eigener Wohnung stelle ein häusliches Arbeitszimmer dar und ist darum in voller Höhe steuerlich absetzbar. So entschied das Finanzgericht Köln.

Nutzung des Raums zum Einstudieren von Musikstücken
Das Gericht gab der Klage einer freiberuflichen Musikerin statt, die die Kosten für ein häusliches Übungszimmer in Höhe von ca. 3.000 € in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen wollte. Die Finanzrichter entschieden, dass ein Berufsmusiker die Kosten für einen zum Einstudieren von Musikstücken genutzten Raum seiner eigenen Wohnung steuerlich unbeschränkt abziehen könne. Die Abzugsbeschränkungen für ein häusliches Arbeitszimmer sollen insoweit nicht greifen.

Das Finanzgericht Köln widersprach damit der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach auch das Musikzimmer eines Berufsmusikers in dessen eigener Wohnung ein häusliches Arbeitszimmer darstelle, liess jedoch die Revision zum Bundesfinanzhof in München zu.

Fazit:
Berufsmusiker können die Kosten für ein häusliches Übungszimmer in voller Höhe steuerlich absetzen. Gemäß Finanzgericht Köln ist dabei entscheidend, dass das Übungszimmer nicht vorwiegend für die Erledigung gedanklicher, schriftlicher, organisatorischer oder verwaltungstechnischer Arbeiten genutzt wird, sondern in vielfacher Hinsicht eher einem Tonstudio als einem Arbeitszimmer im herkömmlichen Sinne ähnlich sein muss.

Quelle: Finanzgericht Köln, Urteil vom 13.10.2010, Aktenzeichen: 9 K 3882/09.

Orchestermusiker

Nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 20 a S. 2 UStG) sind nicht nur die Leistungen der Orchester, die von öffentlich-rechtlichen Trägern unterhalten werden, sondern auch die musikalischen Leistungen der privaten Orchester umsatzsteuerfrei. Für private Orchester gilt dies aber nur, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass das private Orchester die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Orchester einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erfüllt.

Ansonsten muss der Geiger, Cellist oder Trompeter eines Orchesters seine Leistung, d.h. sein Geigenspiel, Cellospiel oder Trompetenspiel jeweils einzeln versteuern, soweit er als Selbstständiger arbeitet.

Liegt die erforderliche Bescheinigung für das private Orchester vor, sind nach dem Urteil vom 18. Februar 2010 des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH) nicht nur für die durch das Orchester erbrachten Leistungen, sondern auch die Leistungen steuerfrei, die einzelne Musiker, die als Unternehmer selbständig tätig sind, als Orchestermitglied gegenüber dem Orchester erbringen.

In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BFH dies stets verneint und ist von der Steuerpflicht der durch den einzelnen Musiker erbrachten Leistung ausgegangen.  Die Aufgabe dieser bisherigen Rechtsauffassung ist maßgeblich auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) aus dem Jahr 2003 zurück zu führen.

Quellen:

Modedesigner: Künstler oder Handwerker?

Modedesigner mit eigenem Label können künftig auch Mitglied der Künstlersozialkasse werden,  sobald die künstlerische Gestaltung im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht.

Die rechtliche Unterscheidung, ob Modedesigner in Deutschland als Künstler oder Handwerker anzusehen sind, ist vorallem aus finanziellen Gründen von Bedeutung. Als Künstler würden Designer Zugang zur Künstlersozialkasse (KSK) erhalten und somit die Künstlersozialversicherung (KSV) in Anspruch nehmen können. Diese ist Teil der gesetzlichen Sozialversicherung und ermöglicht freischaffenden Künstlern Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, wobei sie lediglich die Arbeitnehmerbeiträge zahlen müssen. Das wäre für die meisten Modedesigner eine erhebliche finanzielle Unterstützung.

Bisher nahm die KSK selbst Kunsthandwerker trotz sogenannter „gewisser gestalterischer Leistung“ nicht auf und lehnte damit auch die meisten Modedesigner ab, da diese ebenso primär Handwerker seien und nur sekundär Designer, vor allem wenn es sich um Modedesigner mit eigenem Label handelte. Nicht nur für diese Haltung wird die KSK stark kritisiert.

In der Frage ob Modedesign Kunst oder Gewerbe sei entschied nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Urteil v. 16.09.2009, L 4 KR 216/07) und widersprach damit der gängigen Praxis der KSK. Das Gericht urteillte, dass in konkreten Einzelfällen durchaus auch Modedesigner mit eigenem Label als Künstler im Sinne der KSK angesehen werden müssten und zwar sobald die Gestaltung der Modeentwürfe im Vordergrund der Tätigkeit stünde. Die Umsetzung durch eine hierfür engagierte Schneiderin sei demgegenüber nachrangig.

Leitsatz des Urteils:

„Eine Modedesignerin, deren Tätigkeit ganz überwiegend in der eigenschöpferischen Entwicklung von Entwürfen besteht, ist Künstlerin im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes.“

Fazit: Ein wichtiges und weitreichendes Urteil für Modedesigner mit eigenem Label sowie eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der KSK.