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Rechtsprechung

BGH: Filesharing-Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder

BGH: Filesharing-Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat heute (15.11.2012) in einem wegweisenden Urteil (sog. „Morpheus“-Entscheidung) entschieden, dass Eltern nicht für Urheberrechtsverletzungen aus illegalem Musiktausch (Up-/Download) sog. Filesharing ihrer minderjährigen Kinder haften, wenn sie ihr Kind (in casu: ein 13-Jähriger) über ein Verbot rechtsverletzender Nutzung von Filesharingplattformen (Internettauschbörsen) vorher belehrt haben. Jedoch bestehe keine grundsätzliche Pflicht der Eltern zur Überwachung und ggf. Sperrung für die Nutzung des Internets durch ihre minderjährigen Kinder. Eine solche Verpflichtung der Eltern bestehe erst, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses hätten.

Dieses Urteil betrifft die deutsche Rechtslage zur Teilnehmer- bzw. Störer-Haftung der Eltern für Filesharing-Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder. M.E. kann diese Haftungskonstellation auch auf ein Arbeitsverhältnis übertragen werden, bei dem ein Arbeitnehmer über den Internetanschluss des Arbeitgebers entgegen klarer Weisung/Reglement Immaterialgüterrechtsverletzungen begeht, etwa in Form des rechtswidrigen Filesharings.

Für die Schweiz kann diese Entscheidung nicht ohne Weiteres übernommen werden. Das schriftliche Urteil des BGH wurde noch nicht publiziert.

Quelle und Vorinstanzen:
Pressemitteilung des BGH vom 15.11.2012 zum Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 („Morpheus“)
Urteil des Landgerichts (LG) Köln vom 30.03.2011, Az 28 O 716/10
Urteil des Oberlandesgericht Köln (OLG) vom 23.03.2012 (Berufungsinstanz), Az. 6 U 67/11

Weitere Urteile zu dieser Thematik:

OLG Köln zur Filesharing-Haftung des W-LAN-Anschlussinhabers für Ehepartner
In diesem Zusammenhang hat bereits das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) entschieden, dass ein W-LAN-Anschlussinhaber grundsätzlich nicht für durch seinen Ehepartner begangene Urheberrechtsverletzungen im Internet hafte, wenn der Anschlussinhaber keine Kenntnis über die illegalen Aktivitäten seines Ehepartners habe. Im Übrigen bestehe keine Aufsichtspflicht unter Ehepartnern. Zu diesem Urteil hat der Senat die Revision zum BGH zugelassen.

Quelle:
Pressemitteilung des OLG Köln vom 21.05.2012 zum Urteil vom 16.05.2012 (6 U 239/11)

BGH zur Haftung bei Urheberrechtsverletzungen Dritter über W-LAN-Netz
Ebenfalls in diesem Zusammenhang steht das sog. „Sommer unseres Lebens“-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08), wonach ein W-LAN-Anschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen Dritter, die über das W-LAN-Netz des Anschlussinhabers begangen werden, nur auf Unterlassung hafte, wenn er sein W-LAN-Netz nicht ausreichend mit einem Passwort schützt. Der Anschlussinhaber ist jedoch regelmässig nicht auf Schadensersatz haftbar. Eine diesbezügliche Haftung als Täters komme jedoch gemäss des BGH in dieser Fallkonstellation nicht in Betracht, da der Anschlussinhaber regelmässig die Urheberrechtsverletzung im Internet (in casu: Zugänglichmachen eines Musiktitels) nicht begangen hat. Eine Teilnehmerhaftung in Form des Gehilfenschaft des W-LAN-Inhabers an der rechtswidrigen Haupttat des Dritten würde Vorsatz des W-LAN-Inhabers erfordern.

Quelle:
Urteil des BGH vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08)
Pressemitteilung des BGH vom 12.05.2012 zum Urteil vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08)

Auch diese beiden Urteil sind nach deutschem Recht ergangen.

BGer 4A_210/2012: Zuständigkeit des Handelsgerichts auch für Konsumentenklagen

BGer 4A_210/2012: Zuständigkeit des Handelsgerichts auch für Konsumentenklagen

Das Bundesgericht hat unter Bestätigung des Beschlusses des Handelsgerichts Zürich vom 30.03.2012 (Vorinstanz) entschieden, dass das Handelsgericht auch für Klagen eines Konsumenten gegen eine im Handelsregister eingetragene Einzelfirma wegen Forderungen aus deren geschäftlicher Tätigkeit sachlich im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig ist.

Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„Art. 6 Handelsgericht

1 Die Kantone können ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten
zuständig ist (Handelsgericht).

2 Eine Streitigkeit gilt als handelsrechtlich, wenn:

a. die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist;
b. gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht; und
c. die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind.

3 Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.

4 Die Kantone können das Handelsgericht ausserdem zuständig erklären für:

a. Streitigkeiten nach Artikel 5 Absatz 1;
b. Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften.

5 Das Handelsgericht ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig.“

Der Rechtsstreit entbrannte über die Frage, wie die Formulierung „[…] sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt […]“ gemäss Art. 6 Abs. 3 2. HS ZPO auszulegen ist, namentlich, ob Art. 6 Abs. 3 ZPO auch auf die Voraussetzung gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO verweist.

Hierzu führt das Bundesgericht folgendes aus:

„2.7 […] Zwar ist nach der Definition in Art. 6 Abs. 2 lit. c erforderlich, dass die Parteien, also sämtliche am Streit beteiligten Personen, als Unternehmen im Handelsregister eingetragen sind. Da aber Art. 6 Abs. 3 ZPO gerade von diesem Erfordernis eine Ausnahme macht und der klagenden Partei eine Wahlmöglichkeit für den Fall einräumt, dass nur die beklagte Partei (als Unternehmen) im Register eingetragen ist, kann die „handelsrechtliche Streitigkeit“, an welche die Zuständigkeit knüpft, in der Sache nicht wiederum unter Rückgriff auf eben dieses Erfordernis definiert und damit die Ausnahme im Ergebnis wegdiskutiert werden.“


Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 29.10.2012, 4A_210/2012 (zur amtl. Publikation vorgesehen)

BGer 4A_42/2011: Beweislast und Schätzung von Überstunden

BGer 4A_42/2011: Beweislast und Schätzung von Überstunden

Das Bundesgericht entschied unter Bestätigung ihrer ständigen Rechtsprechung (BGE 129 III 171), dass der Beweis über die Anordnung von Überstunden gleichgesetzt wird, wenn der Arbeitgeber von der Notwendigkeit, Überstunden zu leisten, Kenntnis hatte oder hätte Kenntnis haben können. (E. 5.2)

Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Überstunden nicht gemeldet hat, ist bedeutungslos, sofern feststeht, dass der Arbeitgeber um die geleisteten Überstunden wusste oder hätte wissen müssen. (E. 5.2)

Sofern ein strickter Beweis über die Tatsache, dass durch den Arbeitnehmer Überstunden geleistet wurden, nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann durch eine analoge Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR der Nachweis erleichtert werden. (E. 6.)


Gesetzesbestimmungen: Art. 42 OR, Art. 321c Abs. 1 OR, Art. 321c Abs. 3 OR, Art. 361 OR
Stichworte: Arbeitsrecht, Überstunden, Pflicht zur Leistung von Überstunden, Schätzung von Überstunden, Meldung von Überstunden
Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 15.07.2011 (4A_42/2011)

BGer 4A_236/2012: Fristlose Entlassung einer Abteilungsleiterin gerechtfertigt

Befolgt eine Abteilungsleiterin einer Bank allgemeine Anordnungen zur internen Kontrolle über einen Zeitraum von drei Jahren nicht (Art. 321d Abs. 2 OR), kann dies einen wichtigen Grund gemäss Art. 337 OR darstellen und den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung berechtigen (E. 2.2 f.).

Eine fristlose Kündigung ist nach rund zwei Wochen seit Kenntnis der erheblichen Tatsachen noch rechtzeitig erklärt und damit Ausdruck der zerstörten Vertrauensbasis, wenn die Kenntnisnahme kurz vor wichtigen Feststagen wie Ostern erfolgt und aufgrunddessen die für die tatsächlichen und rechtlichen Abklärungen zuständigen Entscheidungsträger des Arbeitgebers teilweise abwesend sind und zudem die zu Kündigende ferienabwesend ist (E. 2.4 f.).


Gesetzesbestimmungen: Art. 337 OR, Art. 321d OR
Stichworte: Arbeitsrecht, Befolgung von allgemeinen Anordnungen, fristlose Entlassung, wichtiger Grund, sofortige (umgehende) Erklärung der fristlosen Kündigung, Überlegungsfrist, Verwirkung
Quelle: Urteil des Bundesgerichts vom 02.08.2012 (4A_236/2012)

Bundespatentgericht: „Young Wild & Sexy“

Das Bundespatentgericht hat die die Anmeldung der Wortfolge „Young Wild & Sexy“ als Marke für Tanzveranstaltungen wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt. Der Werbeslogan wirke lediglich als Anpreisung und Werbeaussage allgemeiner Art, ohne herkunftshinweisenden Charakter, etwa auf eine bestimmte Dienstleistung.

Laut Gericht bedeuteten die verwendeten englischen Begriffe allgemein verständlich „jung“, „stürmisch, verrückt, toll“ und „sexuell attraktiv, zu einer entsprechenden sexuellen Wirkung verhelfend“ sowie „erotisch attraktiv“. Die Adjektive könnten alle thematisch einer jungen, unbefangenen, offenen, unkonventionellen und freizügigen Einstellung und Ausstrahlung zugeordnet werden.

Einer fremdsprachigen Wortmarke wie der vorliegenden fehle jedoch die Unterscheidungskraft, wenn der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren nicht im Stande sei, deren Bedeutung zu erkennen.

„Young, wild & sexy“ erschöpfe sich in einer rein beschreibenden Sachaussage.
Die betreffende Wortfolge werde üblicherweise zur Beschreibung der genannten Eigenschaften verwendet, ohne überhaupt einen Unternehmenshinweis darzustellen, was schon gegen Originalität oder Prägnanz der Wortfolge spreche.

Quelle:

  • Bundespatentgericht, Beschluss v. 10. 11. 2010, Az. 27 W (pat) 84/10.

BGH: Werbebeschränkungen für Lotterien

Lottogesellschaften sei es nicht generell verboten, hohe Gewinne bei Jackpotausspielungen anzukündigen. Das hat das oberste deutsche Zivilgericht entschieden. Der Bundesgerichtshof (BGH) konkretisierte damit die Werbebeschränkungen für Lotterien in Deutschland.

Nicht jede Ankündigung einer Jackpotausspielung mit einem möglichen Höchstgewinn über 10 Mio. € sei grundsätzlich unzulässig, so der BGH. Die konkrete Gestaltung der Werbung einer Jackpotausspielung müsse sich jedoch in den zulässigen Grenzen halten. Nach § 5 Abs. 1 GlüStV habe sich Werbung für öffentliches Glücksspiel „zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken“. Daher sei die sachliche Information über Art und Höhe der ausgelobten Preise zwar erlaubt, die Information über den Höchstgewinn müsse aber zudem (nach den Richtlinien im Anhang des Glücksspielstaatsvertrags) mit einer Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust verbunden werden, damit die Anlockwirkung des Höchstgewinns begrenzt werde.

Nicht zulässig hielt der BGH eine Ankündigung in der Höchstgewinne von 26 oder 29 Mio. € im Schriftbild hervorgehoben, verbunden mit der Abbildung jubelnder Menschen angekündigt wurden. Auch der Imperativ „Spiel mit“ als Titel eines Kundenmagazin sei unzulässig, da er eine Aufforderung zur Spielteilnahme enthalte.

Quellen:

  • BGH, Urteil v. 16.12.2010 – I ZR 149/08 – „Spiel mit“; Pressemitteilung Nr. 240/2010.

OLG Nürnberg: CD-Box mit „100 Number 1 Hits“ muss auch Originalhits enthalten

Wo „Number 1 Hits“ draufsteht, müssen auch Originalhits drin sein! Eine CD-Box mit „100 Number 1 Hits“ muss auch solche enthalten – und zwar keine sog. „Re-Recordings“ oder Liveaufnahmen sondern im Original. Handelt es sich nicht um Aufnahmen der ursprünglichen Chart-Hits, muss deutlich darauf hingewiesen werden. So entschied das Oberlandesgericht Nürnberg.

„100 Number 1 Hits“ aus dem Lebensmittel-Discounter
Ein Lebensmittel-Discounter hatte Musik-Cd’s im sogenannten Non-Food-Bereich angeboten. Im Streitfall handelte es sich um eine CD-Box, betitelt mit „100 Number 1 Hits“, die 5 CDs enthielt und sowohl im Internet wie auch in den Geschäftsräumen der Beklagten für einen Verkaufspreis von 4,99 Euro erhältlich war.

CD mit überwiegend „Re-Recordings“
Die insgesamt 100 Titel der CD-Box gaben aber überwiegend nicht die in den damaligen Hitlisten geführten Versionen der Songs wieder, sondern waren sogenannte „Re-Recordings“, also Neueinspielungen eines Titels aus späterer Zeit von einem oder mehreren Mitgliedern der Originalgruppe bzw. des Originalkünstlers, oder es waren Liveaufnahmen. Bei welchen Titeln es sich um „Re-Recordings“ bzw. Liveaufnahmen handelte, konnte der Kunde in der Internetwerbung überhaupt nicht und bei der CD-Box selbst erst erkennen, wenn er die verschlossene Cellophanhülle entfernt, die einzelnen CDs aus der Verpackung entnommen und auf der Rückseite der CD-Hüllen am Ende der Titelaufzählung den in englischer Sprache angebrachten Hinweis gelesen hatte.

Verhalten wettbewerbswidrig: Käufer bekommt nicht die Hits die er erwartet
Dieses Verhalten hielt die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. für wettbewerbswidrig, denn die Verbraucher würden davon ausgehen, dass es sich bei allen Aufnahmen tatsächlich um Aufnahmen der ursprünglichen Hits handele, wie diese in den Charts vertreten waren. Und auch ein auf der CD-Hülle angebrachter gelber Aufkleber „Original Artists. Super Qualität“, der weiter unten und sehr viel kleiner den Hinweis enthielt „Einige Songs dieses Produktes wurden neu eingespielt …“, könne dieses Missverständnis nicht deutlich erkennbar ausräumen. Der Käufer bekomme also nicht die Hits, die er erwarte. Schließlich bedürfe es keiner weiteren Erläuterung, dass die Neueinspielung eines Musiktitels durch eine Musikgruppe, bei der nurmehr ein Mitglied der ursprünglichen Besetzung vorhanden ist und die Instrumentierung und der Sound verändert wurden, nicht mehr mit dem Original-Hit vergleichbar sei.

OLG bejaht Wettbewerbswidrigkeit: Irreführende Werbung!
Dieser Ansicht schloss sich nunmehr das Oberlandesgerichts Nürnberg an. Es genüge nicht, wenn lediglich Melodie, Text und Interpret (Letzterer teilweise) der Hits übereinstimmten. Denn es erwarte „ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums (…)dass ihm bei einer mit „Number 1 Hits“ beschriebenen CD-Box auch die damals in einer der Hitlisten befindlichen (Original-) Versionen verkauft werden“ – gerade darauf beruhe ja die besondere Wertschätzung der Stücke. Dies gelte auch hier, wo der Preis mit knapp ein Euro pro CD nur sehr gering bemessen war. Denn dass Massenartikel zu „Schnäppchen“-Preisen veräußert werden, sei im Discountbereich nicht unüblich.

Und auch der gelbe Aufkleber auf der Verpackung werbe lediglich in großen Lettern für „Original Artists“ und eine angebliche „Super Qualität“. Demgegenüber sei die weiter unten enthaltene Aufklärung über Re-Recordings und Liveaufnahmen in deutlich geringerer Schriftgröße gehalten und „nur für den Verbraucher, der keinerlei Sehschwäche hat, überhaupt noch lesbar“. Das reiche jedenfalls nicht aus, um den berechtigten Vorwurf der irreführenden Werbung zu entkräften.

Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg, Urt. vom 26. Oktober 2010 – 3 U 914/10.

Generalanwalt EuGH: Haftung von eBay bei Markenrechtsverstössen

eBay hafte im Allgemeinen nicht für Verstöße gegen das Markenrecht, die von den Nutzern ihres elektronischen Marktplatzes begangen worden sind. So die Ansicht des Generalanwalts des Gerichtshofes der Europäischen Union Jääskinen.

Wenn eBay jedoch die verletzende Benutzung einer Marke gemeldet worden sei und derselbe Nutzer diese Verletzung fortführe oder wiederhole, könne das den Online-Marktplatz betreibende Unternehmen für haftbar erklärt werden.

L’Oréal, Inhaberin eines breiten Spektrum bekannter Marken, hatte eBay vorgeworfen, an den Markenrechtsverstößen, die von Verkäufern auf dem Online-Marktplatz begangen worden seien, beteiligt zu sein. Durch den Kauf von Schlüsselwörtern in Suchmaschinen, leite eBay ihre Nutzer zu rechtsverletzenden Waren, die auf ihrer Website zum Verkauf angeboten würden.

Der Generalanwalt betont, dass eBay zwar im Allgemeinen von der Haftung für die von ihren Kunden auf ihrer Internetseite gespeicherten Informationen freigestellt sei, gleichwohl aber für den Inhalt der Daten, die sie als Werbende dem Suchmaschinenbetreiber mitteile, hafte.

Indem eBay die Marken von L’Oréal als Schlüsselwörter buche, die die Verbraucher auf den Online-Marktplatz führten, benutze sie demzufolge diese Marken für Waren, die von L’Oréal unter diesen Zeichen vertrieben würden.

Nach Ansicht des Generalanwalts führe die Benutzung der streitigen Marken durch eBay als Schlüsselwörter jedenfalls nicht notwendigerweise zu einem Irrtum des Verbrauchers über die Herkunft der angebotenen Waren. In den Fällen, in denen die Anzeige selbst nicht über die Natur des werbenden Online-Marktplatzbetreibers täusche, sei eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke in Bezug auf die Produkte unwahrscheinlich.

Quelle:

Gerichtshof der Europäischen Union, Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-324/09 „L’Oréal / eBay“; Pressemitteilung Nr. 119/10, Luxemburg, den 9. 12. 2010

OLG Stuttgart: Sorgfaltspflichten beim Silvesterfeuerwerk

Alle Jahre wieder beschäftigen sich die Gerichte mit den Folgen des Silvesterfeuerwerks. Häufig geht es dabei um hohe Schadensersatzforderungen. Rechtzeitig zum Jahreswechsel 2010/2011 hat nun das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) auf die mit dem Silvesterfeuerwerk verbundenen Sorgfaltspflichten hingewiesen.

Im vorliegenden Fall war eine Rakete in eine ca. 12 Meter entfernte Scheune, in der Stroh und Getreide gelagert waren, geflogen. Dort war sie explodiert und setzte innerhalb kürzester Zeit das Gebäude in Brand.

Hohe Anforderungen an Sorgfaltspflichten
Das OLG Stuttgart betonte in seinem Urteil, dass an die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk entzünden würden, grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen seien. Diese müssten einen Standort wählen, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht ernsthaft gefährdet würden und fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten könnten, da ein Fehlstart von Raketen niemals völlig ausgeschlossen werden könne.

Haftung bei Erkennbarkeit
Allerdings hafte derjenige, der die Feuerwerksrakete gezündet habe, für den eingetretenen Schaden mangels Verschulden dann nicht, wenn an einem in der Nachbarschaft befindlichen Gebäude durch eine fehlgehende Feuerwerksrakete ein Brandschaden eintrete und die Gefahr des Eindringens des Feuerwerkskörpers in das Gebäude und eines dadurch ausgelösten Brandes bei aller Sorgfalt nicht erkennbar war.

The same procedure as every year
Da es in der Silvesternacht und am Neujahrstag zulässig und üblich sei, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden, müsse man sich als Hausbesitzer auf diesen Brauch – in vernünftigen Grenzen – zum Selbstschutz einrichten. So sei zum Beispiel zu erwarten, dass er in der Silvesternacht und am Abend des 1. Januars Fenster und Türen seiner Gebäude schließe, um Vorsorge vor dem Eindringen von Feuerwerkskörpern zu treffen.

Quelle:

Urteil des OLG Stuttgart, Urteil vom 9. Februar 2010, 10 U 116/09

BVerfG: Verletzung der Rundfunkfreiheit durch Hausdurchsuchung

Durch die Durchsuchung von Geschäftsräumen eines Rundfunksenders wird die Rundfunkfreiheit verletzt. So entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen eines Rundfunksenders und die Sicherstellung seiner Redaktionsunterlagen waren erfolgreich.

Im Rahmen einer Sendung des Rundfunksenders wurde ein Beitrag gesendet, der sich mit angeblichen Übergriffen von Polizeibeamten bei einer Demonstration beschäftigte. Ein unbekannt gebliebener Moderator spielte die Mitschnitte von zwei Telefongesprächen ein, die zwischen einem Pressesprecher der Polizei und einer Person geführt worden waren, die sich in den Telefongesprächen als ein Mitarbeiter des Senders mit Namen vorgestellt hatte. Auf die Strafanzeige des Landeskriminalamtes leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 1 deutsches StGB) ein; nach dem Bekunden des Pressesprechers sei eine Aufzeichnung der Telefongespräche nicht vereinbart worden.

Durchsuchung der Geschäftsräume angeordnet
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete daraufhin das Amtsgericht die Durchsuchung der Geschäftsräume des Rundfunksenders an. Es lägen begründete Tatsachen für die Annahme vor, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, insbesondere des die Gespräche wiedergebenden Tonträgers, sowie von Unterlagen, die Aufschluss über die Identität des Anrufers und der weiteren Verantwortlichen gäben.

Im Zuge der Durchsuchung wurden Grundflächenskizzen und Lichtbilder von allen Räumlichkeiten der Rundfunkanstalt angefertigt sowie ein Notizbuch und diverse Aktenordner mit Redaktionsunterlagen sichergestellt, von denen die Staatsanwaltschaft vor ihrer Rückgabe teilweise Kopien fertigte.

Verfassungsbeschwerde eingereicht
Darauf wendete sich der Rundfunksender mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Redaktionsräume. Eine zweite Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Entscheidungen, mit denen die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung sowie die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme seiner Redaktionsunterlagen bestätigt wurden. Er rügt unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts auf Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG).

BVerfG bejaht Verletzung des Grundrechts
Das BVerfG hat in beiden Verfahren nun dem Rundfunksender Recht gegeben und die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie den Rundfunksender in seiner Rundfunkfreiheit verletzen würden. Die Sache ist damit jeweils zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen worden.

Urteilsbegründung
Das BVerG begründete seine Entscheidung damit, dass das Grundrecht der Rundfunkfreiheit in seiner objektiven Bedeutung die institutionelle Eigenständigkeit des Rundfunks von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen schütze. Von diesem Schutz sei auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit umfasst, die es staatlichen Stellen grundsätzlich verwehre, sich einen Einblick in die Vorgänge zu verschaffen, die zur Entstehung von Nachrichten oder Beiträgen führen, die in der Presse
gedruckt oder im Rundfunk gesendet werden. Unter das Redaktionsgeheimnis fallen auch organisationsbezogene Unterlagen, aus denen sich Arbeitsabläufe, Projekte oder die Identität der Mitarbeiter einer Redaktion ergeben.

Sowohl die Anordnung der Durchsuchung der Räume des Beschwerdeführers als auch die fachgerichtlichen Entscheidungen, die die bild- und skizzenhafte Dokumentation der Redaktionsräume und die Mitnahme redaktioneller Unterlagen sowie die Anfertigung von Ablichtungen hiervon als rechtmäßig erachten, greife daher in die Rundfunkfreiheit ein.

Die im Verfahren 1 BvR 1739/04 angegriffenen Entscheidungen zur Anordnung der Durchsuchung liessen eine tragfähige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Durchsuchung vermissen. Außerdem seien die Ermittlungsbehörden gehalten, eine übermäßige Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit durch den Vollzug der Durchsuchung eines Rundfunksenders zu vermeiden.

Weiter sei zum einen die Erforderlichkeit einer ausführlichen Dokumentation, die Fotografien und Skizzen von allen Räumen des Senders umfasste, nicht ersichtlich. Selbst die Relevanz einer Dokumentation des
Fundortes der sichergestellten Aktenordner sei den angegriffenen Entscheidungen nicht zu entnehmen; dieser sei vielmehr in den gefertigten Skizzen gar nicht vermerkt worden. Zum anderen hätten die Fachgerichte auch hier bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen die mit ihr verbundenen Beeinträchtigungen der grundrechtlich geschützten Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit nicht in
ihre Abwägung eingestellt.


Quellen:

Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 2/2011 vom 5. Januar 2011; Beschlüsse vom 10. Dezember 2010 1 BvR 1739/04, 1 BvR 2020/04.

Zugangsverbot für Touristen in Coffeeshops der Niederlande

Um den Drogentourismus einzuschränken oder sogar zu unterbinden, hat der Gemeinderat von Maastricht den Inhabern von Coffeeshops verboten, Personen, die ihren tatsächlichen Wohnsitz nicht in den Niederlanden haben, den Zutritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten. Damit sollen ausländische Touristen ferngehalten werden. Diese Einschränkung sei zulässig, entschied jetzt das höchste europäische Gericht.

Ziel ist Bekämpfung des Drogentourismus
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) führte aus, dass das Verbot, Gebietsfremden den Zutritt zu niederländischen „Coffeeshops“ zu gestatten, mit dem Unionsrecht im Einklang stehe. Diese Beschränkung sei durch das Ziel der Bekämpfung des Drogentourismus und der damit einhergehenden Belästigungen gerechtfertigt, das sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf Unionsebene mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der Gesundheit der Bürger im Zusammenhang stehe.

Niederlande toleriert Cannabis – Coffeeshops
Die Coffeeshops sind hauptsächlich auf den Verkauf und Konsum von sogenannten „weichen“ Drogen ausgerichtet. Die Niederlande hatten bisher eine Politik der Toleranz gegenüber Cannabis verfolgt und genehmigten solche Einrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen. Daraus hatte sich ein regelrechter „Drogentourismus“ entwickelt, der zu erheblichen Belästigungen der Anwohner führte.

Betäubungsmittel sind in der EU verboten
Das Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln ist jedoch eigentlich in allen Mitgliedstaaten verboten. Auch in den Niederlanden sind der Besitz, der Vertrieb, der Anbau, der Transport, die Herstellung, die Einfuhr und die Ausfuhr von Betäubungsmitteln einschließlich von Cannabis und seiner Derivate gesetzlich verboten (Gesetz über Betäubungsmittel von 1976, „Opiumwet 1976“).

Deshalb – so der EuGH – könne sich der Inhaber eines Coffeeshops hinsichtlich des Verkaufs von Cannabis nicht auf die Verkehrsfreiheiten oder das Diskriminierungsverbot berufen.

Quellen: EuGH Urteil in der Rechtssache C-137/0916. v. 12. 2010, Pressemitteilung Nr. 121/2010

OLG Naumburg: „SUPERillu“ vs. „illu der Frau“ – Keine Verwechslungsgefahr

Der Rechtsstreit „SUPERillu“ vs. „illu der Frau“ wurde nun vom Oberlandesgericht Naumburg (OLG) entschieden. Die Zeitschrift „SUPERillu“ bzw. der dahinter stehende Verlag hatte gegen die Verwendung des Zeitschriftentitels „illu der Frau“ durch einen konkurrierenden Verlag geklagt und in letzter Instanz vor dem OLG wegen fehlender Verwechslungsgefahr nicht Recht bekommen.

LG Magdeburg untersagte Nutzung des Titels
Zuvor hatte das Landgericht Magdeburg in erster Instanz die Nutzung des Zeitschriftentitels „illu der Frau“ untersagt. Das Landgericht hatte angenommen, der Verbraucher verbinde mit „SUPERillu“ gedanklich einen bestimmten Verlag. Es bestehe daher zu Lasten der Klägerin – einem Unternehmen der Hubert Burda Media Holding – eine Verwechslungsgefahr.

Keine Verwechslungsgefahr durch den Titel „illu“
Das hat das OLG Naumburg nun anders bewertet und auf die Berufung die Klage abgewiesen. Der Titel der Beklagten „illu der Frau“ sei der Marke „SUPERillu“ nicht verwechselbar ähnlich. Eine den Zeitschriftentitel prägende Wirkung komme dem Wortbestandteil „illu“ als Abkürzung für „Illustrierte“ nicht zu. Bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft von „SUPERillu“ sei zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich auch andere Zeitschriften mit dem Wortbestandteil „illu“ auf dem Zeitschriftenmarkt erhältlich seien. Der Verbraucher sei einander ähnelnde Zeitschriftentitel auch gewohnt und achte auf Unterschiede. Er schließe nicht von einem ähnlichen Titel auf denselben Verlag.

Quellen: Oberlandesgericht Naumburg, Urt. v. 3. 9. 2010, Az. 10 U 53/09 – Pressemitteilung Nr.: 011/10; Zuvor Landgericht Magdeburg, Az. 7 U 234/09.

AG München: Negative Bewertungen auf Ebay

Auf der Auktionsplattform eBay müssen auch negative Bewertungen hingenommen werden, so lange sie keine unwahren Tatsachen, bloße Schmähkritik oder Beleidigungen enthalten. So entschied das Amtsgericht München.

Anspruch auf Löschung?
Das Gericht hatte darüber zu urteilen, ob negative Bewertungen auf Internetauktionsplattformen gelöscht werden können, bzw. ob ein Anspruch auf Löschung besteht.

Im vorliegenden Fall ging es um den Kauf eines gebrauchtes Notebooks auf eBay. Der Verkäufer nutzte hierzu sein eBay-Konto, das ihn als gewerblichen Verkäufer auswies. In der Artikelbeschreibung gab er an, dass das Gerät aus seinem Privatbesitz als Privatkunde stamme.

Etwas später sandte der Käufer ein Email an den Verkäufer und bat darum das Notebook selbst abholen zu können. Anstelle der vom Verkäufer geforderten Bezahlungsarten „Überweisung“ oder „Paypal“ schlug er daher die Abwicklung des Vertrages über einen Treuhandservice vor.

Am selben Tag noch wies der Verkäufer den Käufer darauf hin, dass eine Abholung des Notebooks nicht möglich sei und bestand auf den angegebenen Bezahlungsarten. Gleichzeitig schrieb er in seiner Email, dass er bei Abgabe einer negativen Bewertung durch den Käufer einen Anwalt beauftragen werde.
Darauf hin gab der Käufer eine negative Bewertung dahingehend ab, dass der Verkäufer gleich mit Anwalt drohe und trotz gewerblicher Seite nur privat verkaufen wolle.
Der Verkäufer erhob deshalb Klage vor dem Amtsgericht München. Er wollte die Löschung dieser Bewertung.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab:

Der Inhalt der Bewertung entspräche den Tatsachen und sei daher zulässig. Die Ankündigung einen Anwalt einzuschalten, müsse aus Sicht des Käufers als Drohung gewirkt haben.
Dem verständigen Nutzer dränge sich darüber hinaus auf, dass der Kläger – trotz gewerblich genutzten Accounts – in diesem Fall als Privatmann verkaufen wolle, mit der Folge, dass die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs mit seinen Schutzrechten für die Verbraucher nicht einschlägig wären. Auch diese Bewertung sei daher wahr.

Ein Anspruch auf Löschung der Bewertung würde nur bestehen, wenn die negative Bewertung einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstelle, betonte das Gericht. Dabei sei eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der ungestörten Ausübung seines Gewerbes einerseits und dem Interesse des Beklagten an freier Meinungsäußerung andererseits vorzunehmen. Danach müsse jemand grundsätzlich Äußerungen, die unwahre Behauptungen beinhalten, bloße Schmähkritik oder gar Beleidigungen nicht hinnehmen. Bloße Werturteile und wahre Tatsachenbehauptungen hingegen seien grundsätzlich zulässig.

Quelle: Urteil des AG München vom 16.12.2009, AZ 142 C 18225/09; Pressemitteilung 53/10, 13. Dezember 2010.

OLG Naumburg: Druckauflage eines kostenlosen Anzeigenblattes im Impressum

Die Aussage eines kostenlosen Anzeigenblattes im Impressum, über die Höhe seiner Druckauflage, die für erreichbare Haushalte im Verbreitungsgebiet erscheine, sowie die zahlenmäßige Zuordnung zu zwei Regionen, sei nach deutschem Recht nicht irreführend. Es werde damit nicht die (unrichtige) Vorstellung einer flächendeckenden Verteilung an sämtliche Haushalte zu 100% der Druckauflage erweckt. So entschied das Oberlandesgericht Naumburg (OLG).

Quelle: OLG Naumburg, Urt. v. 23.04.2010, 10 U 54/09; vorgehend LG Magdeburg, Urt. v. 23.09.2009, 36 O 159/09.

BGH: Preisvergleich von Zahnärzten im Internet

Auf einer Internetplattform konnten Patienten einen Preisvergleich zwischen verschiedenen Zahnärzten vornehmen und dadurch die kostengünstigste Behandlung auswählen. Ein Preisvergleich für zahnärztliche Leistungen im Internet sei nicht „berufsunwürdig“ und daher zulässig, entschied der deutsche Bundesgerichtshof. Doch wird damit auch die Qualität der ärztlichen Behandlung gefördert?

Um verschiedene Angebote zu vergleichen können Patienten den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes auf der Plattform einstellen. Alsdann können andere Zahnärzte innerhalb einer bestimmten Zeit eine alternative eigene Kostenschätzung abgeben. Dem Patienten werden sodann die preisgünstigsten Kostenschätzungen ohne Angabe der Namen und Adressen der Zahnärzte mitgeteilt. Sofern der Patient sich für einen der Ärzte entscheidet, übermittelt die Plattform die Kontaktdaten und kassiert 20% vom Zahnarzt, wenn die Behandlung auch tatsächlich zustande kommt. Zuletzt können die Patienten den Zahnarzt auf der Plattform bewerten, in der sie insbesondere angeben können, ob sich der Arzt an seine Kostenschätzung gehalten hatte.

Gegen dieses Geschäftsmodell hatten mehrere Zahnärzte geklagt und vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht München zunächst Recht bekommen.

Anders entschied jetzt der deutsche Bundesgerichtshof. Danach verstosse die Preisvergleichsplattform nicht gegen ärztliches Berufsrecht und sei daher auch nicht wettbewerbswidrig. Vielmehr diene der Preisvergleich den Patienteninteressen und sei schon deshalb kein „berufsunwürdiges“ Verhalten.

Den Richtern in Karlsruhe zufolge, sei es nicht zu beanstanden, wenn ein zweiter Zahnarzt eine alternative Kostenberechnung vornehme und, sofern sich der Patient daraufhin zu einem Zahnarztwechsel entschließe, auch dessen Behandlung übernehme. Den Richtern in Karlsruhe zufolge, erleichtere das beanstandete Geschäftsmodell ein solches Vorgehen und ermögliche es dem Patienten gerade, weitergehende Informationen zu den Behandlungskosten zu erhalten. Dieses Verhalten verstosse auch nicht gegen den Grundsatz der Kollegialität unter Ärzten und würde deshalb andere Zahnärzte auch nicht auf eine berufsunwürdige Art aus ihrer Behandlungstätigkeit verdrängen.

Fazit:
Das Urteil verschafft mehr Transparenz für die Patienten. Diese können über solche Plattformen ihren Arzt nun auch nach Kostengründen auswählen und mit anderen Angeboten vergleichen. Jedoch muss sich zeigen, ob dadurch auch die Qualität der ärztlichen Behandlung gefördert wird oder ob nur ein Preisdumping zwischen den Ärzten entsteht. Denn der Arzt soll sich auch in Zukunft an dem orientieren was medizinisch notwendig ist und nicht nach merkantilen Gesichtspunkten behandeln. Auf der Plattform wird in einer Art „Internet-Auktion“ die zahnärztliche Leistung im Internet „versteigert“. Der maßgebende Faktor dabei ist der Preis. Die Ärzte geben die Kostenvoranschläge ohne Voruntersuchung des Patienten.

Damit werde das Arzt-Patienten-Verhältnis diskreditiert: „Der BGH gestattet damit, medizinische Behandlungen wie Konsumprodukte versteigern zu lassen“ so der Präsident der Bundeszahnärztekammer in einer aktuellen Stellungnahme.

Quellen: Bundesgerichtshof, Urteil vom 1.12.2010, Az. I ZR 55/08; Pressemitteilung Nr. 230/2010 v. 1.12.2010; Bundeszahnärztekammer, Pressemitteilung v. 02.12.2010

BGH: Privatpersonen haften für ihr eigenes WLAN

Privatpersonen könnten auf Unterlassung, nicht dagegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt werde. So hat der Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden. Der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat führte dazu aus, dass auch privaten Anschlussinhabern eine Pflicht obliege, zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmassnahmen vor der Gefahr geschützt sei, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes könne jedoch nicht zugemutet werden, ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Ihre Prüfpflicht beziehe sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.

Im zugrunde liegenden Fall ist die Klägerin die Inhaberin der Rechte an dem Musiktitel „Sommer unseres Lebens“. Dieser Titel wurde vom Internetanschluss des Beklagten aus auf einer Tauschbörse zum Herunterladen im Internet angeboten. Der Beklagte hatte dies jedoch nicht selbst verursacht, denn er war in der fraglichen Zeit in Urlaub. Die Klägerin begehrte nun vom Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten. Laut BGH hafte der Beklagte hier nach den Rechtsgründen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten. Diese Haftung bestünde schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen sei der Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hatte der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht habe. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehle.

Quelle: BGH, Urteil des I. Zivilsenats vom 12.5.2010 – I ZR 121/08 -Pressemitteilung des Nr. 101/2010.

Orchestermusiker

Nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz (§ 4 Nr. 20 a S. 2 UStG) sind nicht nur die Leistungen der Orchester, die von öffentlich-rechtlichen Trägern unterhalten werden, sondern auch die musikalischen Leistungen der privaten Orchester umsatzsteuerfrei. Für private Orchester gilt dies aber nur, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass das private Orchester die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Orchester einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erfüllt.

Ansonsten muss der Geiger, Cellist oder Trompeter eines Orchesters seine Leistung, d.h. sein Geigenspiel, Cellospiel oder Trompetenspiel jeweils einzeln versteuern, soweit er als Selbstständiger arbeitet.

Liegt die erforderliche Bescheinigung für das private Orchester vor, sind nach dem Urteil vom 18. Februar 2010 des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH) nicht nur für die durch das Orchester erbrachten Leistungen, sondern auch die Leistungen steuerfrei, die einzelne Musiker, die als Unternehmer selbständig tätig sind, als Orchestermitglied gegenüber dem Orchester erbringen.

In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BFH dies stets verneint und ist von der Steuerpflicht der durch den einzelnen Musiker erbrachten Leistung ausgegangen.  Die Aufgabe dieser bisherigen Rechtsauffassung ist maßgeblich auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) aus dem Jahr 2003 zurück zu führen.

Quellen:

BGH: Persönlichkeitsverletzung bei Überwachungskamera auf Nachbargrundstück

Bei der Installation von Überwachungskameras auf einem privaten Grundstück kann das Persönlichkeitsrecht eines vermeintlich überwachten Nachbarn in Deutschland schon aufgrund einer Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung reicht dazu aber nicht aus. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 16. März 2010.

Ein deutscher Grundstückbesitzer hatte sieben Kameras auf seinem eigenen Grundstück installieren lassen, wodurch sich der Nachbar in seiner Privatsphäre gestört sah und klagte. Die Kameras filmten zwar nachweislich nur das eigene Grundstück, hätten jedoch durch einfache Änderung der Kameraeinstellung auch auf die benachbarten Grundstücke gerichtet werden können. Die Klage des Nachbarn war erfolgreich und der Grundstückbesitzer musste seine Videokameras abbauen. Daraufhin verlangte dieser nun Ersatz für die entstandenen Kosten beim Installateur der Kameras, welcher ihn doch auf die mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzung hätte hinweisen müssen.

Über diesen Umweg kam dann der Fall zum BGH. Dieser befand nun mit Urteil vom 26. März 2010 die Installation der Kameras für zulässig, da die Kameras auf das eigene Grundstück beschränkt gewesen seien und es daher keinerlei Anzeichen gäbe, dass Nachbarn unfreiwillig gefilmt würden. Die Nachbarschaft hätte nur nach sichtbaren Umbauarbeiten ins Visier geraten können. Dafür bestand aber kein Verdacht, da es zuvor keine Nachbarschaftsstreitigkeiten gegeben habe. Einen Fehler des Installateurs konnten die Bundesrichter nicht erkennen. Somit müsse der Nachbar die Geräte dulden.

Allerdings führte das Gericht aus, dass grundsätzlich der Einsatz von Überwachungskameras eng auf das eigene Privatgrundstück begrenzt sein müsse. Weder Nachbarn noch Mieter müssten es sich gefallen lassen, ins Visier von Viedokameras zu geraten. Bereits der begründete Verdacht auf Observierung verletze das Persönlichkeitsrecht.

Quelle: BGH Urteil v. 16.03.2010 – Az: VI ZR 176/09

Modedesigner: Künstler oder Handwerker?

Modedesigner mit eigenem Label können künftig auch Mitglied der Künstlersozialkasse werden,  sobald die künstlerische Gestaltung im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht.

Die rechtliche Unterscheidung, ob Modedesigner in Deutschland als Künstler oder Handwerker anzusehen sind, ist vorallem aus finanziellen Gründen von Bedeutung. Als Künstler würden Designer Zugang zur Künstlersozialkasse (KSK) erhalten und somit die Künstlersozialversicherung (KSV) in Anspruch nehmen können. Diese ist Teil der gesetzlichen Sozialversicherung und ermöglicht freischaffenden Künstlern Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, wobei sie lediglich die Arbeitnehmerbeiträge zahlen müssen. Das wäre für die meisten Modedesigner eine erhebliche finanzielle Unterstützung.

Bisher nahm die KSK selbst Kunsthandwerker trotz sogenannter „gewisser gestalterischer Leistung“ nicht auf und lehnte damit auch die meisten Modedesigner ab, da diese ebenso primär Handwerker seien und nur sekundär Designer, vor allem wenn es sich um Modedesigner mit eigenem Label handelte. Nicht nur für diese Haltung wird die KSK stark kritisiert.

In der Frage ob Modedesign Kunst oder Gewerbe sei entschied nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Urteil v. 16.09.2009, L 4 KR 216/07) und widersprach damit der gängigen Praxis der KSK. Das Gericht urteillte, dass in konkreten Einzelfällen durchaus auch Modedesigner mit eigenem Label als Künstler im Sinne der KSK angesehen werden müssten und zwar sobald die Gestaltung der Modeentwürfe im Vordergrund der Tätigkeit stünde. Die Umsetzung durch eine hierfür engagierte Schneiderin sei demgegenüber nachrangig.

Leitsatz des Urteils:

„Eine Modedesignerin, deren Tätigkeit ganz überwiegend in der eigenschöpferischen Entwicklung von Entwürfen besteht, ist Künstlerin im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes.“

Fazit: Ein wichtiges und weitreichendes Urteil für Modedesigner mit eigenem Label sowie eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der KSK.

BVerfG: Vorratsdatenspeicherung

Im heute bekanntgegebenen Entscheid hat das deutsche Bundesverfassungsgericht die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Dabei bleibt das Gericht seiner Tradition zum Datenschutz und zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung treu: bereits 1983 wurde das Volkszählungsgesetz gekippt, 2004 der Große Lauschangriff für im Wesentlichen verfassungswidrig erklärt und 2008 die Befugnis zu Online-Durchsuchungen ohne tatsächliche  Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für nichtig erklärt.

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG vom 02.03.2010